Test Renault Kangoo E-Tech: Der Fortschritt ist eine Schnecke

Der Nachfolger des Elektro-Pioniers ist endlich da und glänzt mit praktischen Features, Innovationen wie der Sesame-Tür, "up-to-date"-Assistenz und gutem Komfort. Beim Kernthema Effizienz patzt er aber: Der neue Antriebsstrang aus 44-kWh-Akku und neuem E-Motor verbraucht mehr im Betrieb und hat hohe Ladeverluste an der Säule.

Neu unter Strom: Der Kangoo E-Tech in seiner zweiten Generation wirkt optisch gefällig und modern, kommt aber in Sachen Effizienz nicht voran. | Foto: J. Reichel
Neu unter Strom: Der Kangoo E-Tech in seiner zweiten Generation wirkt optisch gefällig und modern, kommt aber in Sachen Effizienz nicht voran. | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Er war der erste Elektro-Transporter in Serie: Schon 2012 bewies der französische Hersteller Pionier-Geist und brachte den Kangoo als reine Stromvariante Z.E. auf den Markt. Damals mit 22 kWh-Akku, der 2017 auf 33 kWh erhöht wurde, was einen ordentlichen Reichweitensprung von 170 auf 270 Kilometer brachte. Der hauseigene E-Motor mit 44 kW war etwas flügellahm, aber sehr effizient. Sodass wir in unserem Test tatsächlich mit 17,9 kWh/100 im Betrieb über die LOGISTRA-Testrunde kamen, ohne Ladeverluste, die leider schon früher üppig waren, mit etwa 3 kWh/100 km. Bei Stadtfahrten zeigte der Bordrechner schon mal Werte unter 15 kWh/100 km an, eine top Effizienz, zumindest im Betrieb. Sodass 250 Kilometer durchaus machbar waren. So viel Nachschlag bringt da der komplett neu entwickelte Antrieb nicht: Formal sind es zwar mit dem Lithium-Ionen-Akku zu 44 kWh Netto und dem zuletzt noch von erst 75 dann auf 90 kW erstarkten E-Motor 285 Kilometer.

In der winterlichen Praxis maximal 200 Kilometer

Doch davon ist der E-Tech in der Praxis eines 5 Grad kühlen und windigen, aber sonnig-trockenen Spät-Januartags ziemlich weit entfernt - mit Winterreifen und auf 19 Grad justierter Heizung, aber im Eco-Modus. Die Testrunde mit 144 Kilometern zu 15 Kilometer Stadt, 75 Kilometer Überland und am Schluss noch 55 Kilometer Autobahn ließ noch 42 Kilometer Reichweite übrig, oder 20 Prozent Kapazität. Das ist auf dem gleichen Niveau wie der chronisch reichweitenschwache Stellantis-Antrieb, den der Konzern in allen Elektro-Produkten, etwa auch dem City-Van der 2,3-Tonnen-Klasse verbaut. Der setzt auf einen netto ziemlich genau gleich großen 46-kWh-Akku, der mit einem flotten 100-kW-Motor (von Vitesco), realistisch und im Winter maximal 200 Kilometer im Mischbetrieb packt. Selbstredend werden wir der Fairness halber aber noch eine sommerliche Gegenprobe auf’s Exempel machen, um den Eindruck abzurunden.

Wie bei Stellantis: Wehe den Vans, wenn die Autobahn kommt

Wie dem Stellantis-Van macht dem Kangoo E-Tech vor allem die Autobahn zu schaffen: Auf 27,4 kWh/100 km schnellte die leider nur "einschichtige" Anzeige im hübsch gemachten Digitaldisplay in die Höhe. Ohne, dass der mit wie üblich in der Kompaktvanklasse 400 Kilo beladenen sich in der Stadt oder Überland mit sonderlichem Effizienz-Ruhm bekleckern würde: An die 14 oder 15 kWh/100 km des Vorgängers reicht der Neue nie hin. Eher sind es 17 oder 18 kWh/100 km.

Flottere Fahrleistungen, aber "Eco" genügt

Klar, der neue Kangoo ist eine ganze Ecke zackiger unterwegs, mit 90 kW und 245 Nm Drehmoment, leiser respektive kaum noch hörbar ist er auch geworden, darf zudem 1.500 Kilo Anhängelast an den Haken nehmen. Doch im beim Test stets bis auf die Autobahnetappe (Limit sonst bei 115 km/h) bevorzugten Eco-Modus, tritt der E-Van moderat an, bringt die angetriebenen Vorderräder nicht in Verlegenheit und lässt die Lenkung unbehelligt von Antriebseinflüssen, die bei strammem "Stromfuß" im Normalmodus schon mal vorkommen. Ein Transporter muss kein Sportwagen sein, zumal, wenn man im Lieferverkehr sowieso zahlreiche Stopps hat und dem Chef zuliebe die Reifen schonen sollte.

Kein Einpedal-Fahren

Als ziemlich unsinnig erweist sich hier übrigens die dreistufige Rekuperation, die erst im "B3"-Modus strammer verzögert, sodass man sich die meisten Bremsungen sparen kann. Einen "One-Pedal-Modus" halten die französischen Ingenieure allerdings nicht für "zielführend" respektive effiziente Fahrstrategie, Kurierfahrer wüssten ihn allerdings zu schätzen. In jedem Fall lässt sich der wuchtige und anachronistische Schaltknauf nicht sonderlich gut bedienen, ein Lenkstockhebel wäre platzsparender und zeitgemäßer, würde auch den Durchstieg erleichtern, falls doch mal nötig. Hilfreich ist dagegen der (optional) schlüssellose Zugang und das Starten per Knopf, wobei moderne E-Autos auch schon dann "bereit" sind, sobald der Fahrer Platz nimmt und den Gang einlegt. Aber das sind Details.

Fast wie ein Schnelllader: 22-kW-AC Option

Wichtiger ist, dass der Verbrauch nicht nur im Betrieb mit am Ende der Runde 21,5 kWh/100 km nicht mehr so niedrig liegt wie früher, sondern dass auch die Ladeverluste, wie bei der Marke Renault leider unrühmlich üblich, hoch liegen. Zwar ist der Kangoo mit dem optionalen und cleveren 22-kW-AC-Lader an unserer Verlagssäule wirklich binnen zwei Stunden wieder voll bei Kräften. Aber dabei gehen fast 4,5 kWh/100 km "flöten". Sodass insgesamt satte 25,9 kWh/100 km fällig werden an der Säule. Die muss der Kunde natürlich bezahlen, bei den leider aktuell stark gestiegenen Strompreisen - wir setzen 45 ct/kWh an - bei zugleich noch immer in Relation viel zu niedrigen Spritpreisen, wird die elektrische Transformation Gewerbetreibenden im Moment nicht gerade erleichtert. Wohl dem, der eigenen Grünstrom vom Dach produziert.

Ein Grund für die gesunkene Effizienz der neuen Generation mag auch im deutlich gestiegenen Gewicht liegen, auch das, neben dem allgemeinen Längen- und Breitenwachstum, im speziellen auf 4,49 Meter Länge und 1,91 Meter Breite sowie 1,86 Meter Höhe, ein unguter Trend. So bringt der Kangoo E-Tech L1-Kasten mit Ballast und Fahrer 2.195 Kilo auf die Wage, ist somit fast komplett ausgeladen auf die zulässigen 2,2 Tonnen. 400 Kilo Nutzlast sind im Hinblick auf die Transporteffizienz auch kein berauschender Wert, mit 1,8 Tonnen Leergewicht liegt der Kangoo E-Tech aber im allgemeinen Stromer-Trend.

Die maue Nutzlast ist auch insofern bedauerlich, als der Kangoo, und damit zu einer Sahneseite, an Praktikabilität und Transportqualität noch mal zugelegt hat und hier sein Wachstum wenigstens in Nutzwert umsetzt. Ob man die ultrabreite Seitenöffnung der "Open-Sesame-Tür" nun als Transporteur braucht, sei dahingestellt. Den Zugang zum Laderaum erleichtert sie allemal.

Mehr Details und Testergebnisse zum neuen Kangoo E-Tech und wie er sich auf der Langstrecke schlägt, lesen Sie in der nächsten Ausgabe von LOGISTRA!