Timo Leukefeld: Low-Tech ist das neue High-Tech

Ein Fachgebiet des bekannten Unternehmers, Buchautors und Dozenten Timo Leukefeld sind energieautarke Mehrfamilienhäuser – in denen er für neue (teils uralte) Ansätze plädiert. Und eine Mietflat, die sich auf zehn Jahre festzurren lässt!

Auf einer Veranstaltung von Mitsubishi Motors sprach Leukefeld Klartext. | Foto: Mitsubishi Motors
Auf einer Veranstaltung von Mitsubishi Motors sprach Leukefeld Klartext. | Foto: Mitsubishi Motors
Tobias Schweikl
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Auf einer Veranstaltung von Mitsubishi Motors konnten wir den Eclipse Cross als Plug-in-Hybrid fahren und abends Diplom-Ingenieur und Professor Timo Leukefeld lauschen, der erfrischend unkonventionell in die Zukunft denkt. Er begann seine Karriere als Spengler und weiß daher auch in der Praxis, wovon er spricht – und greift auch heute bisweilen manchmal noch gern selbst zum Schweißgerät, um seinem Sohn diese Kunst beizubringen oder selbst die Naht so zu ziehen, wie er sie für optimal hält. Sein Steckenpferd sind jedoch effizientere Häuser und Wohnungen.

Per se ein Dauerbrenner, für den Leukefeld aber einen komplett neuen Ansatz schuf, der mit sehr vielen Systemen und Regeln bricht. Deshalb glaubt der Energieexperte:

„Disruption heißt Unterbrechung des Gewohnten und Neuausrichtung. Wir müssen den Mut haben, neu zu denken und uns trauen, vielbeschworene Techniken infrage zu stellen.“

Sein radikaler Ansatz: Statt immer mehr komplexe, teure und wartungsintensive Technik zu verbauen, sollte es eher weniger werden. Denn ein künftiges Problem werden die Wartungs- und Reparaturkosten werden. Dafür prophezeit Leukefeld wegen des Personalmangels im Handwerk künftig Stundenlöhne von 200 bis 300 Euro, die mancherorts dank diverser teils unverschämter „Vorhaltungs- und Anfahrtspauschalen“ vereinzelt jetzt schon Realität sind! Hier sieht Leukefeld auf Mieter und Vermieter einen dritten Kostenblock neben Miete und Energiekosten auf uns zurollen.

Deshalb hat er zusammen mit weiteren Experten eine neue Generation enttechnisierter, energieautarker Mehrfamilienhäuser entwickelt. Von den üblichen Technologien - Heizkessel, Wärmepumpen, Fußbodenheizungen oder Heizkörper, zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, Warmwasserboiler oder BUS-Systeme - findet sich in diesen Häusern – nichts! Die neuen Gebäude sind stattdessen Technikminimalisten. Wärme liefert nur eine moderne Strahlungsheizung auf Infrarotbasis. Diese bereitet auch das Warmwasser dezentral und elektrisch zu.

Eine effiziente Gebäudehülle sorgt zudem mit viel Speichermasse für einen sehr geringen Heizwärmebedarf – unter 20 kWh je Quadratmeter im Jahr. Dank Fotovoltaik und Akkus erreichen solche Häuser so einen Autarkiegrad von über 60 Prozent. Sie versorgen sich die meiste Zeit des Jahres selbst mit Energie für Wärme, Strom und auch für E-Mobilität. Die benötigte Restenergie wird von Ökostromanbietern bezogen, womit das gesamte Haus wirklich CO2-frei betrieben wird. Leukefeld hat hier auch die alte Idee er dicken Wände wieder ins Spiel gebracht: Würde man mit Naturmaterialien eine 90 Zentimeter dicke Wand bauen, sinkt die Innentemperatur optimierter Häuser im Winter nie unter 20 Grad Celsius, während sie Sommers nie über 26 Grad anstiege, ohne energetisch aufwendig zu heizen oder zu kühlen! Und man hätte kein Recyclingproblem mit den Styropordämmungen der Außenwände.

Weg vom Großkraftwerk

Aus dem Bau energieautarker Low-Tech-Häuser ergeben sich deshalb nicht nur neue Ansätze für emissionsarmes, günstiges Wohnen, sondern auch für interdisziplinäre, vernetzte Lösungen für Herausforderungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen. So kann ein Energieversorger etwa auch zum Partner des Bauherrn werden und ihm die Solarstromanlage und den Akku selbst einbauen. Optional natürlich gleich mit einer modernen Wallbox für die E-Mobilität des Mieters. Ein idealer Ansatz, um Elektromobilität zukünftig noch besser nutzen zu können – durch die Nutzung der zu Hause erzeugten Energie kann so mit geringem Aufwand nicht nur emissionsfrei, sondern völlig kostenlos gefahren werden. Wie diese Form der Mobilität aussehen kann, hat Leukefeld bereits vor einigen Jahren demonstriert, als er mit dem Elektropionier Mitsubishi EV und seinem energieoptimierten Haus gezeigt hat, wie vernetztes Denken überraschende Lösungen finden kann.

Der Low-Tech-Ansatz, hinter dem sich natürlich in Wirklichkeit eine spezielle Form von High-Tech verbirgt, bringt nicht nur ökologisch Vorteile, sondern auch bei den Kosten. Schon heute ist in vielen Haushalten nicht die Kaltmiete, auch als „erste Miete“ bezeichnet, das eigentliche Problem, sondern die häufig als „zweite Miete“ beschriebenen Nebenkosten, unter anderem auch für Wärme und Strom. Mit neuen Gesetzen und Vorschriften sollen deren Kosten im Neubau eigentlich im Zaum gehalten werden. Doch die umfangreiche energiesparende Technik erfordert nicht nur hohe Grundinvestitionen, sondern öffnet auch Tür und Tor für eine „dritte Miete“, nämlich die stetig steigenden Kosten für Wartung und Reparatur.

Nicht nur die Technik selbst ist wartungsintensiv, Sollbruchstellen sorgen nach Ansicht von Timo Leukefeld auch dafür, dass sich die Lebensdauer der Technik immer weiter verkürzt. Wenn ein Heizkessel aus dem vorigen Jahrhundert noch für 50 Jahre gut war, so gibt er heute häufig schon nach der Hälfte dieser Zeit den Geist auf. Hinzu kommen nette und teure Spielereien, wie timergesteuerte Beleuchtung, Präsenzmelder, Sonnenschutzautomatisierung oder Bewässerungsanlagen. Die zahlreichen Geräte, Motoren, Regler und Vorrichtungen lassen die Kosten explodieren. Ganz abgesehen davon, dass die Spielerei mit der Technik häufig schon nach kurzer Zeit ihren Reiz verliert

Und dann wäre da noch das Problem mit den Folgekosten, denn die komplexe Technik erfordert eine aufwendige Wartung, an der die Servicebetriebe gerne und gut verdienen. Der in diesem wie in vielen anderen Bereichen vorherrschende Handwerkermangel führt zudem zusätzlich zu Problemen mit der Terminvereinbarung und entsprechend zu hohen Preisen für die erbrachten Leistungen. Die von Leukefeld, der auch als Energiebotschafter der Bundesregierung unterwegs ist, propagierte Enttechnisierung der Gebäude wäre dagegen auch ein Schlüssel für günstigeres Wohnen. Der Bau eines solchen energieautarken Low-Tech-Hauses ist nach seinen Berechnungen nur unwesentlich teurer als der eines herkömmlichen Gebäudes gleichen Standards. Aber anschließend fallen eben kaum noch Kosten für Instandhaltung und Wartung an.

Werden die künftigen Betriebskosten in die Investitionskosten mit einbezogen, entstehen sogar völlig neuartige Mietmodelle. So könnten Vermieter Pauschalmieten zum Beispiel über die Dauer von zehn oder 15 Jahren anbieten. In seinem solchen Fall wären damit über den gesamten Zeitraum sozusagen als „Flatrate“ alle Kosten für Wärme, Strom und E-Mobilität abgedeckt. Der Mieter freut sich an langfristig berechenbaren Mietkosten, der Vermieter zudem an treuen Mietern

Leukefeld gehört zu den Menschen, die radikal denken können und dafür durchaus nicht die Welt neu erfinden müssen – es genügt schon, Bestehendes komplett neu zu kombinieren oder alte Techniken neu zu denken. Die Idee der Flat-Miete inklusive Energiekosten und E-Mobilität ist ein ganz starker Aspekt – noch dazu, wenn man diese wegen der neuen Autarkie der Objekte auf zehn Jahre garantieren und festzurren kann!