Toll Collect bleibt beim Bund und könnte Pkw-Maut ermöglichen

Doch wirtschaftlicher als in privater Hand: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verwirft die geplante Privatisierung. Damit übernimmt der Bund den Betrieb für mindestens zwölf Jahre - und könnte Synergieeffekte für die geplante Pkw-Maut erschließen.

Pfand in Bundeshand: Mit der Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen änderte sich die Wirtschaftlichkeistberechnung. | Foto: Toll Collect
Pfand in Bundeshand: Mit der Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen änderte sich die Wirtschaftlichkeistberechnung. | Foto: Toll Collect
Redaktion (allg.)

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat entgegen ursprünglicher Pläne nun doch entschieden, dass der Bund den Lkw-Mautbetrieb dauerhaft selbst übernimmt. Der Vertrag mit der Mautbetreibergesellschaft Toll Collect war am 31. August 2018 ausgelaufen. Der Bund hatte die Gesellschaft deshalb zunächst übergangsweise übernommen und europaweit nach einem neuen Betreiber für das Mautsystem gesucht. Nun gab der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bekannt, dass der Bund die Lkw-Maut in Zukunft selbst erhebt. „Das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist klar: Der Betrieb des Mautsystems durch den Bund ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen wirtschaftlicher als die Vergabe an einen privaten Betreiber.“ Laut dem Minister „steht und stand die Wirtschaftlichkeit für den Bund immer an oberster Stelle“. Deshalb sei das Vergabeverfahren aufgehoben, die Bieter über die Entscheidung informiert.

„Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass der Bund einen sicheren Mautbetrieb in Eigenregie gewährleisten kann. Das System funktioniert einwandfrei“, so Scheuer, der die Lkw-Maut als ein Erfolgsmodell bezeichnete.

Es bringe zuverlässig wichtige Einnahmen in Milliardenhöhe für moderne und sichere Straßen ein – durchschnittlich das 7,2 Milliarden Euro kalkuliert der Bund für die Jahre 2018 bis 2022.

Wirtschaftlichkeit: Wende mit der Maut-Ausweitung

Das BMVI hatte 2016 ein europaweites Vergabeverfahren für die Suche nach einem privaten Mautbetreiber gestartet. Grundlage war eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Beratungsgesellschaft KPMG AG. Diese kam zunächst zu dem Ergebnis, dass der Betrieb des Mautsystems durch einen Privaten wirtschaftlicher ist als der Eigenbetrieb durch den Bund.

Nach dem Durchbruch im jahrelangen Mautstreit, der erfolgreichen Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen und der Übernahme der Toll Collect GmbH durch den Bund im September 2018, hatten sich die Rahmenbedingungen für das Vergabeverfahren jedoch geändert. Unter anderem sanken die noch 2016 angenommenen Risiken durch die Klärung offener Rechtsfragen deutlich. Außerdem wurden potenzielle Synergieeffekte zwischen dem Lkw-Mautsystem und den Systemen zur Erhebung und zur Kontrolle der Infrastrukturabgabe untersucht. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde deshalb unter Berücksichtigung dieser neuen Parameter fortgeschrieben.

Die Neuberechnung der Wirtschaftlichkeit habe nun ergeben, so die offizielle Begründung, dass der Bund in den kommenden zwölf Jahren mit zusätzlichen 357 Millionen Euro rechnen kann, wenn er Toll Collect selbst behält. Dieses Ergebnis führte nun zu der aktuellen Entscheidung, das Vergabeverfahren zu stoppen und die Maut dauerhaft in Eigenregie zu betreiben. (ha/jr)

Ärger um überhöhte Abrechnungen durch Toll Collect

Im Sommer vergangenen Jahres hatte es massive Kritik von der Opposition an der mangelnden Aufklärung fragwürdiger Abrechnungen durch Toll Collect am Bundesverkehrsminister gegeben. Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli, Haushaltspolitiker hatte wie auch der Koalitionspartner SPD in dem Kontext gefordert, der Betrieb und die Gewinne der Lkw-Maut gehörten in öffentliche Hand. Genau so kommt es jetzt, nicht nur als Zwischenlösung.

LOGISTRA Kommentar:

Spät kommt sie doch sie kommt: Die Abkehr vom Dobrindtschen Privatisierungsdogma, das vielfach schief gegangen ist - zulasten des Steuerzahlers. Nun soll es doch teurer sein, die Lkw-Maut von privaten Firmen betreiben zu lassen. Kann schon sein, ist aber eigentlich eine Binsenweisheit, auf die die Opposition und auch der Koalitionspartner SPD schon länger hinweist. Die Transportbranche ist als "Melkkuh der Nation" offenbar zu wertvoll, um die Einnahmen mit privaten, an Toll Collect beteiligten Unternehmen zu teilen respektive ihnen für den Betrieb einen dreistelligen Millionenbetrag zu überweisen, die Rede ist von zuletzt 750 Millionen Euro und einer Rendite von 20 Prozent. Der wahre Grund dafür könnte, wie das Handelsblatt flugs spekuliert, aber auch darin liegen, dass nur mit den Synergieeffekten, die ein Verbleib von Toll Collect in Bundeshand erschließt, letztlich das CSU-Prestigeprojekt Pkw-Maut ermöglicht werden könnte. Denn ansonsten kommt diese im Betrieb schlicht zu teuer. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Jetzt könnte man etwa die Maut-Infrastruktur mitnutzen, was die Kosten unter die kritische Grenze, die der Haushaltsrahmen vorgibt, drücken würde. Das ist also des "Pudels Kern", um es mit Faust zu sagen. Immerhin: Dobrindt-Nachfolger Scheuer erweist sich als pragmatisch und flexibel genug, einen Irrweg zu korrigieren statt dogmatisch zu insistieren. (jr)