Umfrage: Einzelhandel regionalisiert Lieferketten

Von den durch A&M befragten Händler gaben 70 Prozent zudem an, ihre Lieferketten derzeit auf mehr Nachhaltigkeit auszurichten.

Die Coronakrise hat nicht nur Konsumentengewohnheiten, sondern auch die Beschaffungsstrategien des deutschen Einzelhandels verändert. (Foto: Martin Bergsma / Abobe Stock)
Die Coronakrise hat nicht nur Konsumentengewohnheiten, sondern auch die Beschaffungsstrategien des deutschen Einzelhandels verändert. (Foto: Martin Bergsma / Abobe Stock)
Johannes Reichel
(erschienen bei LOGISTIK HEUTE von Therese Meitinger)

Eine neue Studie von Alvarez & Marsal (A&M), einer Londoner Unternehmensberatung, widmet sich der Zukunft des Einzelhandels und den Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die Lieferketten. Zusammen mit Retail Economics hat A&M einer Pressemitteilung vom 8. Dezember zufolge 30 der größten europäischen Einzelhändler sowie mehr als 3.000 Haushalte in Deutschland und fünf weiteren europäischen Ländern befragt. Laut der Studie werden Einzelhändler Produkte im Wert von rund 9,4 Milliarden Euro in den nächsten zwölf Monaten aus Deutschland beziehen.

Die Covid-19-bedingten Einschränkungen des internationalen Warentransports stellten Unternehmen vor plötzliche Lieferengpässe und zwangen viele zu einem Umdenken. 70 Prozent der in der Studie befragten Händler hinterfragten ihre Lieferketten-Strategie als Folge der Covid-19-Krise und mehr als die Hälfte (55 Prozent) haben bereits begonnen, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Davon wollen 29 Prozent dies in den nächsten zwölf Monaten umsetzen. 14 Prozent der befragten Unternehmen haben bereits begonnen, Produktionen und Prozesse ins Inland zu verlagern.

Resilienz schlägt zunehmend Kostenvorteile

„Lange hat sich der Einzelhandel vor allem auf Kostenvorteile in Niedriglohnländern konzentriert. Die Covid-19-Krise ändert dies schlagartig, jetzt steht die Resilienz der Lieferketten im Vordergrund“, kommentiert Patrick Siebert, Managing Director und Co-Head der Corporate Transformation Services bei Alvarez & Marsal Deutschland.

Seien die Produkte nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort, spiele die günstige Produktion im Ausland keine entscheidende Rolle mehr, so Siebert weiter. Um in künftigen Krisen weniger anfällig für Lieferengpässe zu sein, planen die Händler ihm zufolge ihre Lieferketten nachhaltig zu diversifizieren und in Teilen zurück ins Inland zu holen.

70 Prozent der von A&M befragten Händler gaben an, ihre Lieferketten derzeit auf mehr Nachhaltigkeit auszurichten. 30 Prozent der Studienteilnehmer haben dies ebenfalls vor. Wie die Befragung zeigt, legen auch die Konsumenten mehr Wert auf nachhaltig produzierte Waren. So sind der Erhebung zufolge 54 Prozent der befragten Deutschen bereit, mehr für ihr Wunschprodukt auszugeben, wenn es aus Gründen der CO2-Ersparnis in Deutschland produziert wird und dadurch aber mehr kostet. Immerhin 20 Prozent legen Wert auf klimafreundlich hergestellte Produkte, sie würden dafür aber nicht mehr ausgeben.

Nachhaltigkeit und Automatisierung gefragt

Eine weitere Folge der robusteren Ausrichtung ist die Beschleunigung der Digitalisierung und Automatisierung von Lieferketten. Um Prozesse möglichst effizient zu gestalten, müssen Unternehmen das Konsumentenverhalten verstehen, bewerten und antizipieren. Dazu wollen 77 Prozent der in der Studie befragten Händler in die Digitalisierung ihrer Lieferkette investieren, 63 Prozent davon in Automatisierung. Die digitale Transformation birgt dabei nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen. 80 Prozent der Befragten gaben Investitionen in die Cybersicherheit an.

Zur Methodik der Umfrage:  Retail Economics hat zwischen dem 28. September und dem 7. Oktober 2020 eine Online-Umfrage und Telefoninterviews mit 30 der größten europäischen Einzelhändler mit einem Gesamtumsatz von mehr als 600 Milliarden Euro durchgeführt. Darüber hinaus wurde zwischen dem 30. September und dem 4. Oktober 2020 eine Verbraucherpanel-Umfrage unter mehr als 3.000 Haushalten in Großbritannien, Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz durchgeführt.