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Umweltprämie: Hersteller blitzen ab - Verbände fordern Mobilitätsprämie

Der Autogipfel vertagt sich, der Widerstand in Regierung und bei NGOs wächst. Auch der E-Mobilitäts-Verband fordert ein Ende der Prämien-Debatte und hält Corona-Hilfen nur über Umbau-Anreize für sinnvoll.

Wo steckt man Fördergelder rein? Ein Bündnis aus Umweltverbänden, Verbraucherschützern und NGOs fordert statt Auto-Prämie eine Mobilitätsprämie, die auch für Fahrräder eingesetzt werden könnte. | Foto: Cargobike.jetzt
Wo steckt man Fördergelder rein? Ein Bündnis aus Umweltverbänden, Verbraucherschützern und NGOs fordert statt Auto-Prämie eine Mobilitätsprämie, die auch für Fahrräder eingesetzt werden könnte. | Foto: Cargobike.jetzt
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(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Nachdem der sogenannte Auto-Gipfel der Hersteller mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und weiteren Regierungsvertretern ohne Ergebnis zu Ende gegangen ist, hat der Bundesverband eMobilität (BEM) ein Ende der Prämiendiskussionen gefordert. Ein Bündnis aus dem Mobilitätssektor sprach sich zudem für eine allgemeine Mobilitätsprämie aus. Erst Anfang Juni will die Bundesregierung nun über etwaige Kaufanreize entscheiden, um der Industrie aus der Krise zu helfen. Man habe eine Arbeitsgruppe zwischen Regierung und Industrie gebildet, um über die Konjunkturmaßnahmen zu beraten. Ziel sei ein "Modernisierungsbeitrag in Richtung innovativer Fahrzeugtechnologien". Die Hersteller sowie die Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten im Vorfeld massiv für eine umfassende Prämienregelung auch für Verbrenner geworben und ein Konzept vorgelegt. 

Regierung zurückhaltend: Andere Branchen derzeit wichtiger

Dem entgegnete Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) laut Süddeutscher Zeitung, eine "Neuauflage der Abwrackprämie darf es nicht geben". Sie plädierte für den Fall einer Förderung aus Steuermitteln für eine "wirtschaftlich vernünftige" Lösung, die Fahrzeuge mit sauberen Antrieben wie Elektroautos nach vorne bringe. Das sei dann eine echte "Innovationsprämie". Bereits zuvor hatte Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz die generelle Haltung in der Regierung bei der TV-Talkrunde "Anne Will" gegenüber VDA-Präsidentin Hildegard Müller deutlich gemacht: Er kommentierte es als "nicht sehr klug", was zuletzt aus der Branche zum Thema Boni und Dividenden gesagt worden sei, während man gleichzeitig Geld vom Staat vordere. Er halte derzeit zudem Hilfen für andere Branchen für wichtiger. Auch CDU-Kollege Peter Altmaier gab sich zurückhaltend.

Widerstand: Mobilitätsprämie auch für Rad und ÖPNV

Darüber hinaus formierte sich massiver Widerstand im Mobilitätssektor: Ein Zusammenschluss von 15 Organisationen aus Verbraucher- und Umweltschutz sowie Fahrradverbände regten jetzt eine "Mobilitätsprämie" an, die die Bürger auch für den ÖPNV oder Fahrradkauf einsetzen können sollen. In dem Aufruf an die Bundesregierung weist das Bündnis darauf hin, dass eine Mobilitätsprämie auch angesichts der im Klimapaket vereinbarten klimafreundlichen Transformation des Verkehrssektors dringend erforderlich sei. Eine reine Autoprämie setze den falschen Anreiz, immer mehr Wege mit dem Auto zurückzulegen, anstatt je nach Wegezweck das intelligenteste Verkehrsmittel auszuwählen, befindet das Bündnis.        

„Die Bundesregierung darf nicht dieselben Fehler wie vor der Krise machen. Mobilität ist mehr ist als immer nur Auto, Auto, Auto! Auch der Kauf eine E-Lastenrads oder eines ÖPNV-Abos scheitert bei vielen Menschen am Geld. Wir wollen nicht, dass die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern die Verkehrsmittelwahl diktiert, sondern ihnen alle Optionen ermöglicht“, meinte ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork.

Durch Corona habe sich das Leben fast aller Menschen schlagartig geändert. Sie stünden jetzt vor der Entscheidung, wie sie ihre Mobilität nach Corona neu organisieren.

"Das Horrorszenario wäre, wenn jetzt wirklich alle ins Auto steigen, denn dann bricht der Verkehr in Deutschland zusammen. Der Zeitpunkt jetzt ist eine riesige Chance für die Bundesregierung, Deutschland für einen intelligenten Verkehrsmix zu begeistern“, warb Stork weiter.

Der vom Fahrradclub ADFC initiierte Aufruf wird von zahlreichen Verbänden und Unternehmen unterstützt – darunter der Autoclub ACE, die Allianz pro Schiene, die Fahrradhändler der Bike&Co, der Bundesverband Zukunft Fahrrad BVZF, die Bewegung Changing Cities, der Deutsche Naturschutzring DNR, der Mobilitätsdienstleister JobRad, der Fahrradverleiher Nextbike, das Unternehmen Paul Lange, der Fahrgastverband Pro Bahn, der Verkehrsclub VCD, der Verbund Service und Fahrrad VSF, der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv und der Zweirad-Industrie-Verband ZIV.

BEM fordert mehr "Visionsmanagement"

Auch der Branchenverband BEM bezog klar Stellung gegen eine weitere pauschale Incentivierung von Automobilen. Die Diskussion verhindere jeden Tag mehr, dass Kunden zu einem Neuwagen – und sei es ein E-Auto – greifen, solange nicht der höchstmögliche Staatsbonus fließt. Gleichzeitig werde immer deutlicher, dass wirtschaftliche Hilfen real nur dann sinnvoll sind, wenn sie auch ökologisch Sinn machten.

"Andernfalls drohen bereits bestehende Umweltstrafen und Auflagen und ein politisches Waterloo für die Entscheidungsträger", meint der Verband.

Durch diese Konstellation könne nach Auffassung des alternativen Wirtschaftsverbandes nur sinnvolle Corona-Hilfe geleistet werden, wenn die Autobauer aktiv den Umbau-Prozess ihrer Industrie forcierten. Als sofort umsetzbare Maßnahmen für die Belohnung emissionsfreier Mobilität sieht der BEM folgende Schritte:

  • Reduzierung der Dienstfahrzeugbesteuerung für reine E-Fahrzeuge auf 0,00 % - wodurch Hersteller in Deutschland einen kräftigen Nachfrageschub erwarten können
  • Verlängerung des Zeitraums der KfZ-Steuerbefreiung nach § 3d KraftStG bis zum 31.12.2022 – um weiter neue Kunden zu gewinnen
  • Einführung einer Klima-Hilfe in Form einer E-Auto-Quote für Hersteller & Zulieferer, die den Umbau von Verbrenner-Fahrzeugen zur eMobilität honoriert, die in der Überproduktion entstanden sind. Außerdem können unternehmerische Umbauprozesse zur CO2-freien Produktion in den Werkhallen mit der Klimahilfe incentiviert werden, etwa die Nutzung CO2-freier Energie.
  • Aufnahme der Fahrzeugklasse L7E (eKleinstfahrzeuge) in die bestehende Kaufprämie für eAutos – wodurch die Produkte attraktiver für die Kunden werden
  • Begleitend werben die Verbände für den Wandel der Kfz-Steuer zur abgasabhängigen Klima-Umlage, wodurch nicht nur Neuwagen, sondern bereits genutzte Pkw und Fahrzeug-Flotten in den neuen Wertekanon einsortiert werden.

„Das Argument der Arbeitsplatzsicherung mag sozial und politisch verständlich sein, mit dem die Ministerpräsidenten ihren Landesarbeitgebern durch die Corona-Krise helfen wollen und damit kräftige Lobbyhilfe leisten“, sagte BEM-Präsident Kurt Sigl. 

Marktseitig sei den Arbeitsplätzen aber am wenigstens gedient, wenn sie Produkte hervorbrächten, die im Wettbewerb keine Chance hätten, fügte er an. Die Länder sollten hier mehr "Visionsmanagement" betreiben und die Umbauprozesse gestalten.

LOGISTRA-Kommentar:

Es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt erst mal abwartet und jetzt nichts übers Knie bricht. Die Verschiebung zeigt aber auch, dass der Wind sich gedreht hat und nicht mehr nach dem Prinzip Gieskanne automatisch ein warmer Regen über der Autoindustrie niedergeht. Zumal Branchen wie die Transport- und Logistik, teils auch Folge der Autoflaute, mindestens genauso in Mitleidenschaft gezogen wurden und nicht minder "anspruchsberechtigt" wären. Zum derzeitigen Stand sind die Ideen einfach ziemlich unausgegoren, um nicht zu sagen unoriginell: Einfach alles fördern, was Räder hat und neu ist? Das kann es 2020 mitten in der Klima-Krise nicht mehr sein.

Es wird auch oft vergessen, dass die Förderungen aus dem Staatssäckel nichts anderes sind, als die Umverteilung von Steuergeldern, die von den Bürgern bezahlt wurden. Da muss man dann schon darauf schauen dürfen, dass das sozial gerecht und vor allem ökologisch nachhaltig passiert.

Und die Vorschläge sollten ergänzt werden um bedenkenswerte und wirklich innovative Ansätze wie die allgemeine Mobilitätsprämie oder die Förderung von Leichtelektro-Fahrzeugen oder speziell gewerblicher E-Mobilität oder oder oder. Der ÖPNV ist seit Jahrzehnten unterfinanziert, E-Lastenräder noch immer sehr teuer, leichte E-Fahrzeuge auch nicht gerade billig, das wäre mal ein neuer Ansatz. Gezielt fördern, statt mit der Bazooka. Die hatten wir jetzt schon. Und noch etwas: Nicht wieder ewig Arbeitskreise bilden und Studien in Auftrag geben. Wir haben alles Wissen und die Lösungen. Das gilt es jetzt schnell zu bündeln zu einem Gesamtkonzept für nachhaltige Mobilität. Stimmt schon irgendwie: Es braucht ein Visionsmanagement. Davor braucht es aber auch eine Vision.

 

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