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VDA-Präsidentin Hildegard Müller fordert Reformen statt Regulierung

Reformen statt Regulierung und mehr strategische Weitsicht von der Politik, um eine erfolgreiche Transformation zu vollziehen - das forderte Präsidentin Müller in der Jahrespressekonferenz des VDA. Sie rechnet in ihrer Prognose dieses Jahr mit weniger schweren Nutzfahrzeugen im Export.

Deutschland soll wieder zum Motor Europas werden, so die VDA-Präsidentin. (Bild: VDA)
Deutschland soll wieder zum Motor Europas werden, so die VDA-Präsidentin. (Bild: VDA)
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Johannes Reichel
(erschienen bei Transport von Nadine Bradl)

Die Politik müsse sich aus dem Dauerkrisenmodus befreien und strategische Weitsicht beweisen, das hat VDA-Präsidentin Hildegard Müller anlässlich der Jahrespressekonferenz des Automobilverbands gefordert. Aus ihrer Sicht sind Handels- und Rohstoffabkommen sowie Energiepartnerschaften für Wachstum und Wohlstand entscheidend. Sie appellierte aber auch vor dem Hintergrund des Erstarkens rechter und rechtsextremer Parteien, es sei die Verantwortung aller, für Demokratie und unsere Werte einzustehen. Für 2024 erwartet der Verband ein deutliches Wachstum der inländischen Produktion von Elektro-Pkw.

„Wir müssen Zuversicht durch strategische Weitsicht erzeugen. Das Prinzip Krise und die damit verbundene Dauerselbstbeschäftigung müssen enden. Es braucht jetzt Reformen statt Regulierung – und weniger Mikromanagement", forderte Müller und rief zu einem Paradigmenwechsel in der Politik auf.

Strategische Souveränität

Durch den Dauerkrisenmodus der letzten Jahre bewegte die Politik sich zu sehr in defensivem und reagierendem Verhalten – und offenbart damit zwei eklatante Mängel:

„Die Ampel schafft es nicht, selbstbestimmte und vorausschauende Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Noch weniger schafft sie es, den Eindruck zu vermitteln, eine Strategie und ein klares Zielbild zu haben. Überregulierung und Bürokratie lähmen Wachstum und Innovationskraft. Das führt zu einem zunehmenden Vertrauensverlust – bei Industrie und Bevölkerung“, analysiert Müller.

„'Agieren statt reagieren‘ muss die Devise heißen: Mut zu Reformen – hin zu einer Strategie, die Orientierung gibt und die Kernaufgaben wieder in den Mittelpunkt stellt. Dazu gehört vor allem, den Standort wieder international wettbewerbsfähig aufzustellen, Handels- und Rohstoffabkommen sowie Energiepartnerschaften abzuschließen, die Entbürokratisierung voranzutreiben und durch Technologieoffenheit Innovationskraft zu erzeugen. Entwicklungen müssen regelmäßig gemessen und evaluiert werden, um ggf. nachzusteuern, damit die Zielerreichung sichergestellt wird. Die Politik muss wieder agieren und Herausforderungen im Vorhinein antizipieren: proaktiv handeln statt nachträglich reagieren. Nur so können wir die Kraft und die Ressourcen managen und Resilienz gegen Krisen entwickeln“, betont Müller.

Standort wird zur Achillesferse

„Ich will, dass dieses Land wieder zum Motor Europas wird, dass wir die Innovationen und Technologien entwickeln und exportieren, die weltweit klimaneutrales Wachstum ermöglichen. Das Problem: Das, was dafür von zentraler Bedeutung ist, ist zu unserer größten Schwachstelle geworden. Ein wettbewerbsfähiger, attraktiver, weltweit begehrter Standort ist die Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Im zurückliegenden Jahr sind wir in vielen wichtigen Punkten nicht entscheidend weitergekommen: nicht in puncto wettbewerbsfähige Energiepreise, nicht beim Thema wettbewerbsfähiges Steuersystem, nicht beim Thema Bürokratieabbau. Rohstoff- und Energiepartnerschaften wurden kaum geschlossen, bei Freihandelsabkommen geht es praktisch nicht voran“, so Müller.

Die Entwicklung sei mit Blick auf das anstehende Wahljahr umso dramatischer:

Verliert Deutschland, verliert Europa weiter an Wirtschaftskraft, an Anziehungskraft, dann verlieren wir an Relevanz – in einer Welt, in der Europa und seine Wirtschaftskraft mehr denn je zum Gestalten und Eintreten für unsere Werte gefordert ist“, mahnt Müller.

Spielraum für Wirtschaft sichert Gestaltungsspielraum für Politik

Deswegen fordert Müller einen Paradigmenwechsel:

„Reformen statt Regulierung. Pragmatismus statt Mikromanagement. Regulierung wirkt bremsend, wenn nicht nur Ziele, sondern auch die Instrumente politisch festgelegt werden. Ich bin überzeugt: Spielraum für die Wirtschaft schafft und sichert die Grundlage, ambitionierte Ziele tatsächlich zu realisieren. So können wir die Transformation meistern und dabei gleichzeitig eine führende Wirtschaftsnation bleiben. Wir brauchen eine moderne Mischung aus marktorientierter Wirtschaftspolitik und gestaltender Industriepolitik – gerade mit Blick auf internationale Entwicklungen. Subventionen können etwa zur Förderung von Zukunftstechnologien oder zur Stärkung der Resilienz als unterstützende Maßnahmen notwendig sein – Stichwort Halbleiter oder Batteriefabriken. Gleichzeitig gilt: Symptombekämpfung statt langfristiger strategischer Behebung der Ursachen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit ist keine langfristige Transformationsstrategie.“


Daten und künstliche Intelligenz

Mit Blick auf den europäischen Data sowie AI Act mahnt Müller:

„Wenn wir bei dieser Mentalität und Art der Politik blieben, überlassen wir anderen das Feld. Wir haben hier ein riesiges Potenzial: unsere Hersteller und Zulieferer bringen alle Voraussetzungen mit, um hier weltweit die Standards und Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist auch hier, die richtige Balance zwischen notwendiger Regulierung und Chancennutzung zu finden. Deswegen müssen wir erstens unsere Stärken nutzen und ausbauen: gute Qualifizierung – gerade auch in den Unternehmen, eine hoch entwickelte Industrielandschaft, unser hohes Maß an internationaler Erfahrung und Vernetzung. Das ist für Innovationen in diesem Bereich eine gute Basis. Zweitens muss sichergestellt werden, dass die fehlende oder nicht ausreichend leistungsfähige (digitale) Infrastruktur nicht zum limitierenden Faktor für unsere Fortschritte in diesem Bereich wird. Und wir müssen drittens den Mut haben, Entwicklung und Ausprobieren möglich zu machen. Regulierung ist der zweite Schritt. Sie darf nicht der erste sein“, so Müller.

Gerade in Zeiten der Unsicherheit brauche es Zuversicht:

„Wir sind erfolgreich und weltweit führend – sei es z.B. beim automatisierten Fahren oder in Sachen Kreislaufwirtschaft – und sprechen zu wenig darüber. Wir können Innovation: Nicht umsonst liegen unsere Unternehmen bei Patentanmeldungen für Zukunftstechnologien international auf den vordersten Plätzen. Erfolgsgeschichten sind so wichtig für die Stimmung in unserem Land – und motivieren zum Anpacken. Denn für das Gelingen der gewaltigen Transformation braucht es jeden Einzelnen.“

Müller erklärt weiter: „Deutsche Autos, Nutzfahrzeuge und auch Zulieferer genießen hohes Ansehen, weltweit. Unsere Marken stehen für Tradition und innovative Technologieführerschaft. Die deutschen Autokonzerne wie auch der automobile Mittelstand stehen für Pioniergeist, Qualität, herausragende Marken und jahrzehntelange Erfahrungen und Erfolge. Wir werden alles dafür tun, damit das so bleibt und tätigen dazu immense Investitionen. Es ist unser Leitmotiv, den Weg zur Klimaneutralität engagiert voranzutreiben. Wir nehmen unsere Verantwortung zum Gelingen der Transformation an. Von 2024 bis 2028 werden die Hersteller und Zulieferer der deutschen Automobilindustrie weltweit rund 280 Mrd. in Forschung und Entwicklung investieren. Der Fokus liegt auf der Transformation, insbesondere der Elektromobilität inklusive Batterietechnik, dem autonomen Fahren sowie der Digitalisierung. Damit investieren unsere Hersteller und Zulieferer in diesem Zeitraum rechnerisch jährlich weltweit 56 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung – sie erhöhen ihre FuE-Ausgaben also weiter."

Die Innovationskraft der Unternehmen sei das Erfolgsrezept:

"Wir ergreifen die Chance, unsere Tradition weiterzuentwickeln – und gleichzeitig Pioniere zu sein, mit dem Anspruch langfristig zu gestalten. Als Autoindustrie werden wir dabei mit unseren Stärken agieren – und wollen die Stärken unseres Landes, unseres Kontinents nutzen. Denn wir wollen die Erfolgsgeschichte hierzulande weiterschreiben. Deswegen werden wir nicht müde, für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu werben“, so Müller weiter.

Verantwortung und Haltung zeigen

Mit Blick auf den zunehmenden Populismus und Extremismus in Deutschland mahnt Müller:

Wir alle – und damit meine ich explizit auch die Wirtschaft – müssen für unsere Werte, für unsere Demokratie einstehen und Verantwortung übernehmen. Der Hebel ist da: Allein in den Unternehmen der deutschen Automobilindustrie sind etwa 780.000 Menschen beschäftigt. Und nicht nur in unseren Betrieben, sondern auch darüber hinaus müssen wir die Menschen ermutigen, sich klar zu positionieren. Die Wirtschaft muss Vorbildcharakter haben.“

Prognosen 2024 

Im Rahmen der Pressekonferenz gab VDA-Chefvolkswirt Dr. Manuel Kallweit zudem die wichtigsten Prognosen für das Jahr 2024 bekannt:

„Für den deutschen Markt rechnen wir 2024 mit einem Rückgang von einem Prozent auf weiterhin 2,8 Mio. Einheiten. Das ist etwa ein Viertel weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Dabei gehen wir von einem niedrigeren Absatz von Elektro-Pkw aus (Minus 9 Prozent auf 635.000 Einheiten). Während der Absatz von Plug-In-Hybriden (PHEV) um 5 Prozent auf 185.000 Einheiten steigen dürfte, gehen wir bei den rein batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) von einem Rückgang von 14 Prozent auf 451.000 Einheiten aus."

Die Märkte in Europa (U27, EFTA & UK; +4 Prozent) und den USA (+2 Prozent) dürften 2024 aufgrund des schwachen Vorjahresniveaus etwas stärker wachsen als der chinesische Markt (+1 Prozent). Für den globalen Pkw-Markt erwarte man einen moderaten Anstieg um 2 Prozent. Damit wäre das Niveau des Jahres 2019 fast wieder erreicht.

Bei der Pkw-Inlandsproduktion erwartet der VDA für dieses Jahr eine Seitwärtsbewegung (± 0 Prozent; 4,1 Mio. Einheiten). Grund sei unter anderem die gesamtwirtschaftliche Schwäche. Eine erfreuliche Entwicklung erwarte man bei der inländischen Produktion von Elektro-Pkw. Diese dürfte 2024 weiter steigen.

"Wir erwarten hier ein deutliches Plus in Höhe von 19 Prozent (BEV: + 25 Prozent, PHEV: ± 0 Prozent). Die Auslandsproduktion deutscher Konzernmarken dürfte mit der Fertigung von 10,6 Mio. Pkw um 4 Prozent zulegen.

Weniger Export schwerer Nutzfahrzeuge

Bezüglich des Exports erwarte der VDA für 2024 einen leichten Anstieg um ein Prozent auf gut 3,1 Mio. Einheiten. Das entspreche einer Exportquote von 76 Prozent.

"Bei den schweren Nutzfahrzeugen gehen wir für Europa (U27, EFTA & UK) von einem Rückgang von 10 Prozent aus, für die USA von 5 Prozent. In China erwarten wir ein Wachstum von 8 Prozent."

Die Konjunktur in der Anhänger- und Aufbautenindustrie befand sich bereits im Jahr 2023 im Rückwärtsgang. Sowohl die Anhänger insgesamt (-13 Prozent) als auch die schweren Sattelanhänger >6t (-18 Prozent) gingen deutlich zurück. Dieser Trend dürfte sich im Jahr 2024 weiter fortsetzen, wenn auch in mit etwas geringerer Dynamik.

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