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VISION mobility THINK TANK: Grüne City-Logistik zwischen Wunsch und Wirklichkeit

"Chancen und Grenzen des Einsatzes von Lastenrädern" lautete das Thema des jüngsten THINK TANKS. Und es diskutierte das Dilemma der nachhaltigen City-Logistik. Die steckt zwischen Gestern und Morgen: Junge Firmen zeigen, wie es geht. Doch die Beharrungskräfte sind groß. Und der politische Rahmen nicht förderlich.

Nachhaltige City-Logistik kommt nicht so schnell aus den Puschen, wie es die Klimakrise erfordert, konstatierten die Diskutanten beim THINK TANK von VISION mobility im Rahmen des SCLK in Jena. | Foto: DAKO/HUSS-VERLAG
Nachhaltige City-Logistik kommt nicht so schnell aus den Puschen, wie es die Klimakrise erfordert, konstatierten die Diskutanten beim THINK TANK von VISION mobility im Rahmen des SCLK in Jena. | Foto: DAKO/HUSS-VERLAG
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Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit steckt das Bemühen um eine nachhaltigere City-Logistik aktuell fest. So zumindest lautete der Tenor der jüngsten Diskussionsrunde beim VISION mobility THINK TANK anlässlich des 9. Smart City Logistik Kongress von DAKO in Jena zum Thema "Lange Letzte Meile: Chancen und Grenzen des Einsatzes von Lastenrädern in der Logistik". Lösungen gäbe es, wie Moderator und VM-Redakteur Johannes Reichel einleitend darlegte.

Doch vor dem Hintergrund der längst immer virulenteren Klimakrise, kommen diese nicht schnell genug voran, kommt grüne Stadtlogistik nicht dynamisch genug aus den Puschen: Die Zielmarke von 30 Prozent E-Cargobikes in der innerstädtischen Logistik, die vom RLVD, aber auch vom vormaligen CSU-Verkehrsminister ausgegeben wurde, erscheint da ebenso unrealistisch wie die Einhaltung der vom Klimaschutzgesetz vorgegebenen Ziele im chronisch säumigen Verkehrssektor bis 2030. Der lag auch 2022 wieder weit jenseits des vorgesehenen Budgets. Es seien nur noch sieben Jahre, in denen die Gewohnheiten und Abläufe grundstürzend verändert werden müssten, so Reichel.

Gewohnheiten halten sich zäh

Noch immer sind die über Jahrzehnte eingespielten Prozesse und Gewohnheiten in der chronisch margenschwachen City- und KEP-Logistikbranche stark, wie Andreas Schumann vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. die Realität skizzierte. Viele Subunternehmer könnten sich schlicht keine teuren neuen Elektrofahrzeuge leisten wenn diese immer noch doppelt oder gar dreifach so teuer wären. Dann stellten sich im "auf Kante genähten" Alltag keine weiteren Fragen, deren Antwort in einer "Bubble" grüner Logistikpioniere so offensichtlich erscheint.

Keine Zeit für einen allmählichen Marktwandel

Man könne auch nicht abwarten, bis neue Unternehmen mit dem richtigen Mindset sich am Markt etabliert und vielleicht die angestammten verdrängt hätten. Und die Vorteile emissionfreier Fahrzeuge seien eben ganz konkret und ad hoc nicht so zwingend, dass es sich rechnet, selbst wenn man den gesamten Lebenszyklus berücksichtige und eine TCO-Kalkulation anstelle. Das würden ohnehin viele der Kleinstunternehmer am Rande der Rentabilität nicht leisten können, so Schumann.

Felix Dossmann vom Start-up Grünfuchs Logistik GmbH aus Göttingen gibt zwar zu, dass er mit rein konventionellen Fahrzeugen ein (noch) besseres Geschäft machen würde, aber das widerspräche dem hohen Anspruch an die ökologische und soziale Nachhaltigkeit, die er bei dem von ihm mitgegründeten City-Logistik-Unternehmen stellt. Daher setzt er sämtlich auf E-Cargobikes und E-Trucks und wolle den Beweis erbringen, dass sich sogar unter ungünstigen politischen Rahmenbedingungen und ohne Förderung heute schon ein "grünes Rad" drehen lässt, wenn man es clever anstellt - und neben der Hardware eben auch die Software, Routenplanung und Intralogistik mit berücksichtigt.

Kostentransparenz mit CO2-Preis und Abbau von Fossilsubentionen

Das Problem sei, dass die externen Kosten der konventionellen City-Logistik nicht eingepreist seien. Noch immer werde der Einsatz eines Diesel-Transporters im Vergleich zu einem E-Fahrzeug oder einem E-Cargobike zu preiswert gemacht, monierte Dr. Tom Assmann, Urbane Logistik-Wissenschaftler aus Magdeburg und Vorsitzender des Radlogistik Verband Deutschland e.V. Mit längst abgeschriebenen Diesel-Vans könnten brandneue und noch immer ziemlich teure, weil nicht industrialisierte E-Lastenräder nur mithalten, wenn die wahren Kosten für Umwelt, Luft- und Lebensqualität in den Städten mit berücksichtigt würde, so sein Plädoyer. 

Auch eine CO2-Besteuerung auf konventionelle Kraftstoffe würde Transparenz schaffen, im Hinblick auf Umwelt- und Klimakosten - und könnte nachhaltige City-Logistik stärker beschleunigen als jede Prämie. Assmann appellierte an die Politik, die Subventionen für fossile Antriebe wie das Dieselprivileg zu beseitigen und zudem eine Förderkulisse auch für E-Lastenräder, aber ebenso für leichte Elektrofahrzeuge aufzusetzen, die unbedingt auch Leasing-Möglichkeiten enthalten müsse.

E-Bikes und LEVs ergänzen sich perfekt

Denn auch hierin war sich die Runde schnell einig: E-Lastenräder und Leichtelektrofahrzeuge verhalten sich nicht kompetetiv, sondern komplementär. Sprich: Es braucht einen klugen Mix aus beiden Welten, um die City-Logistik den realen Notwendigkeiten der Klimakrise entsprechend schnell emissionsfrei zu gestalten. Vor allem: Schnell mehr von allem. Hauptsache emissionsfrei, elektrisch, raum- und ressourceneffizient.

Mit diesem Anspruch, auch einen Beitrag zu lebenswerteren Städten zu leisten, die ebenso rasch "klimaresilient" gemacht werden müssten, war auch die Firma Carit mit ihrem LEV HopOn angetreten. Von Münster aus soll der äußerst raum- und energieeffiziente E-Plattformwagen nun Schule machen. Und stellvertretend ein Beispiel geben, dass es eben schon heute anders geht - und solche Konzepte eben auch ganz konkret zum Klimaschutz in urbanen Zonen beitragen könnten, weil sie wenig Platz brauchen, der dann wiederum für Entsiegelung oder Grünflächen zur Verfügung stünde, wie Norbert Kerkhoff, Vertriebsleiter von Carit unter Verweis auf die radikale Mobilitäts-, aber auch Stadtgestaltungswende der Stadt Paris anmerkte.

Mauer in den Köpfen abbauen

Er berichtete von Kunden, die die Vorteile des ultraschmalen Konzepts und der niedrigen Betriebskosten schnell zu schätzen gelernt hätten. Man müsse nur die "Mauer in den Köpfen" abbauen und solche LEV-Konzepte bekannter machen. Kommunikation sei hier alles, dann würde sich der Erfolg schon einstellen, weil die Vorteile zwingend seien. Dennoch findet auch Kerkhoff: Eine LEV-Förderung des Bundes tut dringend Not. Das wäre das letzte Quentchen, auch Gewerbetreibende zu überzeugen und zum Verlassen des alten Pfades zu bewegen.

Auch Thomas Kuwatsch, CFO des Leipziger LEV-Spezialisten Ari Motors GmbH, weiß von solchen Erfolgsgeschichten, hält aber ebenfalls eine Förderung, und seien es nur ein paar tausend Euro, für essentiell, um den entscheidenden Anstoß zu geben. Er spürt aber auch schon jetzt eine deutlich größere Offenheit zum elektrischen "Downsizing", wenn die Leute nur erst einmal ihre Berührungsängste abbgebaut hätten.

Transformationsangst überwinden

Überhaupt: Die Transformationsangst. Die habe sich ja auch schon bei der Debatte um das Gebäudeheizungsgesetz gezeigt. Und auch in der KEP- und Transportbranche seien die Vorbehalte noch immer groß, so Andreas Schumann. Um diese abzubauen, müsse die Politik einen klaren Kurs Richtung Klimaschutz setzen, der für alle Beteiligten und Akteure gleichermaßen gelte. Der Wandel werde sowieso kommen und kommen müssen. "Wenn wir uns nicht ändern, ändert sich eben das Klima", resümierte Reichel.

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