VW Nutzfahrzeuge: Schneller in der Gewinnzone - klar zur Elektro-Wende

Konzerntochter meldet Rückkehr in Gewinnzone früher als geplant. Neben Einführung des Pkw Multivan verweist man auf den vollelektrischen ID. Buzz und den neuen Amarok. Invest in Start-ups in Mobilität und Logistik. Ukraine-Krieg beeinträchtigt Produktion.

Zu neuen Ufern - und Antrieben: Der ID.Buzz als Kombi und Cargo markiert eine Zeitenwende für die Nutzfahrzeugtochter unterm VW-Dach. Er soll noch 2022 anrollen. | Foto: VWN
Zu neuen Ufern - und Antrieben: Der ID.Buzz als Kombi und Cargo markiert eine Zeitenwende für die Nutzfahrzeugtochter unterm VW-Dach. Er soll noch 2022 anrollen. | Foto: VWN
Johannes Reichel

Die VW-Konzerntochter Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) hat mit mehr als einer halben Milliarde Euro im vergangenen Jahr die vorzeitige Rückkehr in die Gewinnzone nach der Corona-Krise geschafft, die ursprünglich erst für das laufende Jahr geplant war. Mit 73 Millionen Euro weise die Marke nun wieder ein deutlich positives operatives Ergebnis aus (nach minus 454 Millionen Euro im Jahr 2020). Nach einem Verlust von 4,9 Prozent im Jahr 2020 erreichte man im Jahr 2021 noch eine Rendite von 0,7 Prozent - und das trotz einer Investition von 1,4 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien, wie man betonte. Die Geschäftszahlen stellten der Vorsitzende des Markenvorstands, Carsten Intra, und Finanzvorstand Michael Obrowski heute während der digitalen Jahrespressekonferenz vor.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, insbesondere die schwierige Versorgung mit Halbleitern, hätten auch bei VWN im vergangenen Jahr zu Produktionsausfällen und geringeren Fahrzeugauslieferungen gesorgt. Die Nachfrage von den Kunden sei deutlich höher gewesen, erklärte Intra. Gleichzeitig will der Hersteller leichter Nutzfahrzeuge auch 2021 seine Transformation mit hohem Tempo fortsetzen. Der Umbau des Stammwerks in Hannover zum Hochtechnologie-Standort geht konsequent voran. Alle Maßnahmen zahlen auf die weiterentwickelte Unternehmensstrategie GRIP 2030 die VWN auf der Pressekonferenz erstmals der Öffentlichkeit vorstellte.

Ukraine-Krieg: Zentrale Zulieferer betroffen

Volkswagen Nutzfahrzeuge hat im vergangenen Jahr weltweit 359.500 Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert – im Vorjahr waren es 371.000 (Minus 3,2 %). Dennoch zeigte sich der Vorstandsvorsitzende vor diesem Hintergrund Intra zufrieden mit der Vertriebsleistung 2021, vor allem mit der hohen Zahl an Auftragseingängen, die rund 100.000 Fahrzeuge über den Auslieferungen lagen.

„Wir wissen, wofür wir Nutzis stehen. Unsere Kunden sind oft auch unsere Fans. Die starke Nachfrage nach unseren Produkten zeigt die Stärke der Marke und das große Interesse der Kundinnen und Kunden an unseren Produkten.“

Mit Blick auf das laufende Jahr verwies Intra auf die nach wie vor hohen Unsicherheiten, vor allem durch die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Die Werke von VWN seien unmittelbar vom Ausfall zentraler Zulieferer in Folge des Kriegs in der Ukraine betroffen. Das führt zu erneuten, vorher nicht absehbaren Ausfällen in der Produktion, erklärte Intra.

„Uns alle bewegt das große Leid der Menschen. Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den Wunsch zu helfen: sei es mit Geld- oder Sachspenden oder mit persönlichem Engagement“, erklärte Intra.

Drei Säulen beim Bulli

Die Hannoveraner fächern das Spektrum im Kompakttransporterbereich künftig in drei Säulen auf: die Baureihen Multivan, T6.1 und den neuen ID. Buzz. Dazu habe im Juni 2021 eine vollständig neue Generation des Multivan vorgestellt, die mit mehr Fahrkomfort, Premium-Elementen aus dem Pkw-Bereich und Multifunktionalität im Innenraum punktet. Der T6.1 bleibt zugleich im Programm für gewerblichen Einsatz und vorerst auch die Basis des aktuell weiterhin sehr erfolgreichen Reisemobils California. Dennoch soll mittelfristig ein ID.Buzz California das Portfolio ergänzen.

Plug-in-Hybrid im T7 schwer gefragt

Man verzeichnete zudem bei den Elektromodellen (e-Crafter und T7 eHybrid) starke Zuwächse von 35 Prozent. Allerdings ist die Bestellung des T7 Plug-in-Hybrid aktuell ausgesetzt, aufgrund langer Lieferfristen von über zwölf Monaten. Auch das Gebrauchtgeschäft boomte vor dem Hintergrund der stockenden Neufahrzeugproduktion und legte um sechs Prozent zu. Mit dem jüngst vorgestellten Lifestyle-Van ID. Buzz und dem für urbane Einsätze gedachten, technisch baugleichen Transporter ID. Buzz Cargo hat der Hersteller jetzt zusätzlich zwei rein elektrische Modelle im Hochlauf, die vom Format unterhalbt des T6.1 und T7 ansetzen.

„Für mich steht das Auto stellvertretend für die Mobilität von morgen. Der ID. Buzz transferiert sieben Jahrzehnte Bulli-Know-how und das Design einer Ikone in die Ära der Elektromobilität", wirbt Intra.

Für Sommer 2022 steht die Präsentation des neue Pick-up Amarok aus der Kooperation mit Ford an. Im Werk Hannover laufen zudem die finalen Vorbereitungen für die Serienproduktion des neuen ID. Buzz. Dazu gehört auch die Qualifizierung von mehr als 5.000 Beschäftigten für den Bau von Elektrofahrzeugen. 60 Prozent der Mitarbeitenden haben die Qualifikation absolviert.

Die verbleibenden Beschäftigten befänden sich derzeit in Maßnahmen, die bis zum Produktionsstart abgeschlossen sein werden. Parallel dazu habe man erste Umbaumaßnamen für künftige vollelektrische Premiumfahrzeuge der Marken Audi und Bentley gestartet. Dafür wird im Herzen der Fabrik eine neue Produktionshalle aufgebaut. Im Werk Poznań (Polen) starteten trotz der erschwerten Umstände rund um die Halbleiterversorgung die Anläufe des Caddy Maxi und des kompakten Reisemobils Caddy California.

Auf dem Weg zum autonomen Bulli

Mit seinem Partner, dem Spezialist für automatisiertes Fahren Argo AI habe man wichtige Meilensteine auf dem Weg zum autonomen Fahren umgesetzt. Argo AI testet das autonome Fahren mit den ID. Buzz AD-Prototypen seit September in München. Während VWN und Argo AI das autonome Fahrzeug sowie das Self-Driving-System entwickeln, ist MOIA der Partner für einen autonomen Mobilitätsdienst. Die Tochter verfügt über langjährige Erfahrungen im Bereich Mobilitätsdienstleistungen, dem sogenannten „Mobility as a Service“ (MaaS). Innerhalb kürzester Zeit habe die VW-Tochter Europas größten, rein elektrischen Ridepooling-Service mit Fahrern aufgebaut und Millionen von Fahrgästen befördert. Ab 2025 soll der Mobilitätsdienstleister der erste Nutzer des ID. Buzz AD in Hamburg sein.

Virtuelle Spedition Cito ai: Start-ups unterm Konzerndach

Vor einem Jahr hat man zudem das Start-up Cito als Teil der VWN Aktivitäten im Bereich TaaS (Transport as a Service) vorgestellt. Der Marktstart von Cito erfolgte wie geplant im Sommer 2021. Die Transportlösung für Geschäftskunden konzentriere sich auf den Markt zeitkritischer Transporte. Mittlerweile seien mehr als 200 Partner auf der Plattform registriert, der Umsatz wachse jeden Monat zweistellig, auch das liege im Plan, so der Anbieter. Derzeit bietet die Plattform Direktfahrten innerhalb Deutschlands und in das europäische Ausland an.

Wohin die Reise geht: GRIP unter den Rädern

Zur weiterentwickelten Strategie nahmens GRIP 2030 stellte Carsten Intra im Rahmen der Jahrespressekonferenz erstmals die Details vor. Die Strategie beschreibt das Zielbild des Unternehmens bis zum Ende des Jahrzehnts.

„Bis 2030 werden mehr als 55 Prozent unserer Fahrzeuge in Europabatterie-elektrische Fahrzeuge sein, die mit ‚grünem‘ Strom angetrieben werden “, meinte Intra.

Mit der Entwicklung der AD-Technologie leiste man zudem einen integralen Bestandteil zur NEW AUTO Strategie des Volkswagen Konzerns. So sei der Hersteller auf dem Weg zu einem "agilen, leistungsorientierten und digitalen Unternehmen", warb Intra. Das Leitbild sei immer mehr "Nutzen statt Besitzen" und Intra glaubt, das neue Geschäft inklusive Autonomous Driving, Mobility as a Service sowie Transport as a Service (ADMT) werde bis 2030 größeren Anteil am Umsatz haben als der konventionelle Verkauf von Fahrzeugen. Man strebe eine Umsatzrendite von fünf Prozent bis 2030 an, aber vor allem einen "Return on invest" von 20 Prozent. Das Unternehmen werde mit seinen Produkten die Mobilität von morgen entscheidend prägen, zeigte sich Intra überzeugt.