White Paper International Van of the Year: Die Evolution des Transporters

Jury des International Van of the Year veröffentlicht ein White Paper zur Zukunft des Lieferverkehrs, das Tendenzen aufzeigt: Elektrisch, smart, hoch assistiert, dediziert. Und irgendwann in bestimmten Einsatzfeldern autonom. Potenzial in Kombination mit E-Cargobikes.

Visionär: Die Jury des International Van of the Year blickt in einem White Paper in die Zukunft, die durchaus so aussehen könnte, wie Renault sie bei der Studie EZ.Pro entwirft. Ein Fahrer ist noch mit an Bord, hier eines Leader-Fahrzeugs, gefolgt von Pods. Und Vans sind weiter schwer gefragt. | Foto: Renault
Visionär: Die Jury des International Van of the Year blickt in einem White Paper in die Zukunft, die durchaus so aussehen könnte, wie Renault sie bei der Studie EZ.Pro entwirft. Ein Fahrer ist noch mit an Bord, hier eines Leader-Fahrzeugs, gefolgt von Pods. Und Vans sind weiter schwer gefragt. | Foto: Renault
Johannes Reichel

Die Jury des renommierten Transporterpreises „International Van of the Year“ hat ein White Paper zur Zukunft der leichten Nutzfahrzeuge und des Lieferverkehrs vorgestellt. In dem  Werk mit dem Untertitel „Die Evolution der leichten Nutzfahrzeuge im urbanen Raum“ skizzieren die Mitglieder der Jury, Fachjournalisten aus 25 Ländern Europas, darunter auch für Deutschland ein Vertreter des HUSS-VERLAGS für die Publikationen Transport und LOGISTRA, wie sie sich die Trends und Tendenzen beim Einsatz von Transportern im städtischen Verkehr in den nächsten Jahren vorstellen.

„Vor dem Hintergrund der dramatisch beschleunigten Klimakrise und den Anforderungen des Pariser Abkommens ist schnelles und durchgreifendes Handeln geboten“, setzen die Autoren den globalen Rahmen.

In dem spielt sich eine weitere Entwicklung ab, die alles weitere prägen wird: „Die Zukunft ist urban: Schon heute leben die Hälfte der Menschen in Städten, bis 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in urbanen Zonen leben.“, skizziert das Papier die Ausgangslage. An diese Gegebenheiten müssten sich auch die leichten Nutzfahrzeuge in ihrer gesamten Konzeption anpassen:

„Transporter müssen schlanker, sicherer, smarter und sauberer werden“, fordert die Jury.

Noch immer vergeutet der Fahrer viel Zeit mit Öffnen und Schließen

Eine Kernthese des Papiers ist, dass der Einsatz leichter Nutzfahrzeuge noch deutlich an Effizienz zulegen muss, nicht nur durch weiter verbesserte Antriebe, sondern auch durch Unterstützung von mit der Umgebung vernetzten Telematiksystemen sowie durch bessere Ergonomie. Beleuchtet wird in diesem Kontext auch die Rolle des Fahrers, der noch immer zu viel Zeit damit verbringe, aus dem Fahrzeug zu gelangen, Türen zu schließen oder aufzusperren oder in zu hoch liegenden, düsteren Laderäumen nach Fracht zu suchen. Wolle man dem Fahrermangel wirksam begegnen, müsse man smartere und bequemere Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die mehr Assistenz böten, so die Autoren. Die Fachjournalisten prognostizieren ein weiteres Wachstum der Transporterflotten im Zuge des anhaltenden E-Commerce-Booms und allen Verschärfungen von Einfahrregulierungen der Kommunen zum Trotz.

Idealfall: Kein Weg führt an Elektifizierung der Vans vorbei

Einen Ausweg böten hier elektrische oder hybridisierte Fahrzeuge, die das Wachstum beim Fahrzeugaufkommen mit einem zugleich nötigen Sinken der CO2-Emissionen in Einklang bringen könnten. Dabei sieht man die Technologie batterieelektrischer Antriebe in der Pole Position: „Urbane Lieferfahrzeug sind ein ideales Einsatzfeld für batterieelektrische Lösungen, weil sie typischerweise weniger Kilometer fahren und die Städte zunehmend proaktiv Ladeinfrastruktur schaffen“, erklären die Autoren. Sie mahnten aber auch an, für die Beurteilung der Ökobilanz die gesamte Kette von der Batterieproduktion bis zur Entsorgung und dem Grünstrom-Bezug im Betrieb zu beachten. Im Hinblick auf die noch immer schwierige Realisierung eines „Business Case“ mit Elektrofahrzeugen zeigten sie sich zuversichtlich: Hier seien "größere Kräfte am Werk", wie Incentivierungen, Einfahrrestriktionen oder ideele Priorisierungen von Unternehmen, die auf ein grünes Image wert legen.

Zudem würden mit der Skalierung der Technologie die Kosten massiv sinken und im Betrieb würden Betreiber ohnehin stark sparen. “Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alternativ angetriebene Transporter preiswerter zu kaufen und zu betreiben sein werden“, sind sich die Juroren sicher.

„Wir werden bald wettbewerbsfähig gepreiste E-Vans sehen. Und mit der kommenden Euro-7-Norm wird sich die Lücke weiter schließen“, so die Prognose.

Eine Chance liege auch darin, wenn alternative Antriebe bei Aufträgen zum Differenzierungsfaktor und Ausschlusskritierium würden, mit dem sich neue Geschäfte akquirieren ließen.

Verbrennungsmotor: Fast ausgereizt, Euro 7 schließt die Preislücke
Die Möglichkeiten einer weiteren Verbesserung von Verbrennungsmotoren im Hinblick auf noch geringere Emissionen auch und gerade im Stadtbetrieb halten die Autoren für weitestgehend ausgereizt, Gewichtsreduzierungen brächten nur wenig. Eher skeptisch zeigen sich die Van-Experten im Bezug auf den Einsatz autonom fahrender Lieferwagen, wie sie Hersteller wie Ford/VW oder Daimler forcieren. Es gebe noch nicht einmal einen paneuropäisch gültigen Kriterienkatalog über die sichere Anwendung von Pods. Die Sicherheit sollte nach dem Dafürhalten der Autoren aber höchste Priorität haben. Das Problem sei auch die Integration in bestehende Straßennetze. Möglicherweise komme der Einsatz auch nur in speziell abgegrenzten Bereichen oder Spuren in Frage.

Clevere Ergänzung, kein Ersatz: Mikromobilität und Cargobikes
Vielversprechender sei schon heute die Kombination aus Transportern und Mikromobilen wie E-Cargobikes. Diese müssten allerdings eher aus kleinen Nutzfahrzeugen „herunterentwickelt“ werden, denn von Fahrrädern nach oben, glauben die Juroren. Dann könnten sie eine perfekte Ergänzung sein, würden die LCV aber schon wegen deren vielfacher Transportkapazität und dem personalintensiven Betrieb nie ersetzen können. Eine Rolle in begrenztem Maße traut man auch Drohnen und autonomen Transportgeräten zu.

„Technischer Fortschritt lässt sich nutzen, einfach um sein Geschäft aufzubessern. Oder um das Leben der Leute und unsere urbanen Landschaften zu verbessern. Die Zukunft der urbanen Logistik hängt entscheidend davon ab, dass man die geschäftlichen Interessen in Einklang bringt mit dem politisch Machbaren und dem von lokalen Autoritäten für ihrer Bürger Erwünschten und die Akteure die Entwicklung in die richtige Richtung bringen“, so eine weitere zentrale Aussage des Papiers.

Die Suche nach einer besseren, grüneren und wirklich nachhaltigen Gesellschaft sei ein nobles und dringen nötiges Ziel. „Aber sie kann zugleich einhergehen mit smarteren und effizienteren Transport- und Lieferprozessen und der Entwicklung einer ganz neuen Art von Transportern“, erklären die Autoren der Jury. Ihr Chairman Jarlath Sweeney aus Irland sieht in dem White Paper eine Plattform und Basis für weitere Diskussionen und Debatten mit der Industrie, aber auch mit allen beteiligten Stakeholdern in Logistikfirmen und Kommunen.