Wuunder-Gastbeitrag: Warum die letzte Meile die Zukunft der Logistik entscheidet

Die letzte Meile ist entscheidend für die Zukunft der Logistik. Damit man diese gewinnt, sind in Anbetracht von Fahrermangel bei steigendem Aufkommen aber kreative Lösungen gefragt: Etwa Kooperation, Curbside-Lieferung und Einsatz von Lastenrädern. Ein Gastbeitrag von Jeroen Gehlen, Gründer von Wuunder.

Kreative Lösungen gefragt: Das niederländische Start-up Wuunder plädiert für kreative Lösungen und Kooperation, etwa mit gemeinsamen zentralen Verteilzentren, von denen aus die verschiedenen Anbieter ausschwärmen. | Foto: Wuunder
Kreative Lösungen gefragt: Das niederländische Start-up Wuunder plädiert für kreative Lösungen und Kooperation, etwa mit gemeinsamen zentralen Verteilzentren, von denen aus die verschiedenen Anbieter ausschwärmen. | Foto: Wuunder
Johannes Reichel

Beim Transport von Waren ist die letzte Meile entscheidend. Denn betrachtet man die komplette Reise eines Produkts bis zum Kunden ist der Start bereits sehr effizient organisiert: Hersteller transportieren Produkte in großen Mengen in voll beladenen Lkw zu einem Distributionszentrum in der Region. Hier lassen sich nur wenige Emissionen einsparen. Der Gewinn liegt daher genau in der letzten Meile, den das Produkt zum Empfänger zurücklegt. Das letzte Wegstück zur Haustür birgt den höchsten Kostenanteil, denn hier beginnt die Unzufriedenheit der Kund:innen und es häufen sich die Probleme der Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP-Dienste) bei der Auslieferung einer oder mehrerer Sendungen an einen einzigen Kunden.

Quadratur des Kreises: Urbanisierung treibt Verkehr

Die Zukunft der Logistik muss also auf der letzten Meile ansetzen, auch weil immer mehr Menschen in Städten leben und arbeiten. Damit erhöht sich zwangsläufig auch das Verkehrs- und Paketaufkommen. Die Probleme sind in der Branche bekannt, doch es geschieht bisher einfach zu wenig. Theoretisch gibt es bereits zahlreiche Möglichkeiten, um die Auslieferung auf diesem letzten Stück zu verbessern, allerdings müssten dafür alle Akteure zusammenarbeiten und moderne Technologien nutzen. Doch wie genau kann das funktionieren?

Vorteile der Vernetzung nutzen

Damit Sendungen auf der letzten Meile effizienter, smarter und umweltfreundlicher ausgeliefert werden, bieten sich einige Ansatzpunkte, etwa (gemeinschaftliche) Lager in städtischen Verteilzentren und geteilte Wege der Paketdienstleister. Die Pakete könnten an ein städtisches Verteilerzentrum verschickt werden. Lokale Kuriere könnten die Sendungen im gemeinsamen Verteilerzentrum abholen und an Kunden ausliefern, beispielsweise in einem Radius von einem Kilometer. An diesen leicht zugänglichen Orten werden die Pakete zu einem festgelegten Zeitpunkt von Transporteuren wie DHL, DPD oder TNT abgeholt. Auf diese Weise wird der Transport bereits effizienter organisiert.

Transportkosten auf der letzten Meile senken

Durch die Bündelung verschiedener Spediteure, aber auch von Waren in einem Transport lassen sich die Kosten senken. Optimierte Logistiknetzwerke erhöhen zudem nicht nur die Kundenbindung, sondern senken auch die Transportkosten. Auch die Zahl der verpassten Lieferungen sinkt dadurch, da die Fahrradtransporteure in kurzen Runden fahren, die eine zeitgenaue Lieferung zu einem für den Empfänger günstigen Zeitpunkt ermöglichen. Auch die Lieferzuverlässigkeit ist eine wichtige Stellschraube. Abhilfe leisten können hier beispielsweise örtliche City-Fulfillment-Center oder Einzelhandelsgeschäfte. Für eine schnelle und umweltfreundliche Lieferung arbeiten Händler:innen mit einer Partei zusammen, die Produkte in Kundennähe vorrätig hält und von dort mit einem Fahrradkurier ausliefert. Dies gewährleistet eine schnelle Lieferung ohne zusätzliches Verpackungsmaterial und mit minimalem CO2-Ausstoß.

Curbside-Lieferungen: Click & Collect mehr verbreiten

Aber auch sogenannte Curbside Lieferungen können helfen die Transportkosten auf der letzten Meile zu verringern. Dabei handelt es sich um eine Durchfahrtsoption, die mit einer Drive-Thru einer Fast-Food-Restaurants vergleichbar ist und in den USA schon deutlich verbreiteter ist. Hierzulande wird diese häufig als „Click & Collect“ bezeichnet und besonders Lebensmittel können so online bestellt und direkt im Markt abgeholt werden, wie es beispielsweise REWE, dm und Ikea bereits vormachen.

Dem Lieferfahrer entgegenkommen

Dies würde auch gelten, wenn Kunden etwa nach draußen gehen würden, um dem Fahrer beim Ausladen zu helfen, anstatt den Fahrer zu bitten, das Auto zu stoppen, auszusteigen, zur Tür zu gehen, zu klingeln, zu warten, ob jemand zu Hause ist, zum Auto zurückzugehen, um das Paket zu holen und dann das Paket an der Tür abzugeben. Moderne Technik könnte den Empfänger warnen, dass der Fahrer in seine Straße einfährt, so dass er die Tür öffnen und nach draußen gehen kann, um dem Fahrer zu helfen. Das würde eine Menge Staus und doppelt geparkte Autos vermeiden.

Planungssicherheit von Zustellvorgängen auf der letzten Meile erhöhen

Eine intelligente Planungssoftware hilft Unternehmen dabei, konsistente und kürzere Lieferzeitfenster anzubieten. Denn Liefergenauigkeit und -geschwindigkeit fordern Kund:innen heute ein, wenn sie Waren online bestellen. Eine IT-Plattform ist etwa in der Lage, den Lagerbestand zu verwalten und dank intelligenter Algorithmen festzustellen, wo Kund:innen ihre Produkte am besten platzieren können, sodass die meisten Käufer:innen diese Produkte innerhalb von wenigen Stunden erhalten. Ebenso erhöht ein proaktiver Lieferprozess, der etwa eine „Track and Trace“-Funktion bietet und auch eine schnelle Kundenkommunikation beinhaltet, sowohl die Planungssicherheit als auch die Transparenz auf der letzten Meile.

Lieferboten können die Branche verändern

Um die Branche zu verändern, muss auch bei den Lieferfahrern angesetzt werden. Vor allem da durch den E-Commerce-Boom das Paketaufkommen seit Jahren steigt: Im letzten Jahr wurden allein in Deutschland 4,51 Milliarden KEP-Sendungen verschickt— 11,2 Prozent mehr als im Jahr 2020. Auf der anderen Seite kommen unsere Städte angesichts des erhöhten Verkehrsaufkommens an ihre Kapazitätsgrenzen und es fehlt an Lieferfahrern. Es braucht also Innovationen, um die Produktivität auf der letzten Meile zu erhöhen und Offenheit auf Seiten der Lieferfahrer und KEP-Dienste für technologische Veränderungen.

Kooperative Nutzung von City-Lagern

Ein Lösungsweg könnte die stärkere Zusammenarbeit der Lieferfahrer sein, indem diese innerstädtischen Lager gemeinsam nutzen und auch Pakete verschiedener Anbieter transportieren. Denn bisher besitzen nicht nur Hermes, DHL & Co jeweils ihren eigenen Fuhrpark, auch dm und Rewe haben inzwischen eigene Services eingerichtet. Und dazu kommt, dass auch nachhaltige Lösungen von jedem Einzelnen ausgebaut werden: So reicht die Zahl der eingesetzten Lastenräder von rund 70 bei Hermes, über mehr als 100 bei UPS bis zu 28.200 bei DHL und Deutscher Post.

Kommunen könnten ihren eigenen Lastenrad-Service betreiben

Warum also nicht aus der Perspektive des Wohnorts? Wenn eine Gemeinde ein Postfach für Sendungen einrichten würde und diese mit dem Lastenfahrrad zustellen würde, bräuchten die Spediteure die Gemeinde gar nicht erst zu betreten. Sie können es also selbst tun!

Quick-Commerce ist nicht zwangsläufig nachhaltiger Als Last-Mile-Akteur hat Quick Commerce die Logistik rasant verändert. Insbesondere im urbanen Raum gehören Fahrer auf E-Bikes längst zum Stadtbild (z.B. für die Pizza-Auslieferung). Dank Q-Commerce-Anbieter wie Gorillas werden Grundbedarfsartikel wie Lebensmittel, aber mittlerweile auch Beauty- oder Apothekenprodukte, lokal innerhalb kürzester Zeit geliefert. Durch die Kombination von Konsumentennähe, flexiblen Auslieferungsmöglichkeiten und digitaler Kundenbindung entsteht ein neues Kundenversprechen, das auch umweltfreundlich daherkommen kann.

Per Bike kaum nachhaltiger, wenn nur eine Sendung kommt

Da der Fokus von Quick Commerce aktuell vor allem auf der Lieferung von Lebensmitteln in Ballungsgebieten liegt, ist die Zustellung durch Fahrradkuriere auf E-Bikes oder E-Rollern kaum nachhaltiger, wenn nur eine Bestellung ausgeliefert wird. Der Nachhaltigkeit sind Grenzen gesetzt, da Fahrradkuriere nur Transporte von kleinen Paketen bis zu drei Kubikmeter ermöglichen. Und auch beim Quick Commerce kommt es auf ein intelligentes Tourenmanagement und das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure an.

Über den Autor:

Jeroen Gehlen ist Mitgründer der internationalen Online-Transportmanagement-Plattform Wuunder und kann auf über 20 Jahre Erfahrung im Bereich Versand und Logistik zurückblicken. Zuvor war er bei TNT/FedEx als Global Director Pick-up & Delivery Optimization and Innovation tätig und entwickelte ein Framework für eine vollständig digitalisierte Plattform für die Echtzeitkommunikation. Jeroen verfügt über umfangreiche weitreichende Erfahrungen in den Bereichen Marketing und Kommunikation, E-Commerce und Betriebswirtschaft. Unternehmensbeschreibung:

Über das Unternehmen:

Wuunder ist eine internationale Online-Transportmanagement-Plattform, die (digitale) Einzel- und Großhändler sowie Produzenten beim Versand und der Optimierung von Bestellungen jeder Größenordnung unterstützt. Das niederländische Unternehmen wurde von Jeroen Gehlen und Bart Takkenkamp 2016 in Amsterdam gegründet und übernimmt für seine Kunden alles rund um die Logistikkette – von der kompletten Abwicklung, über den Transport bis hin zum Kundenservice bei der Auslieferung. Dabei greift man bereits auf 300 Spediteure und Kuriere in Europa zu, bietet proaktive und individuelle Problemlösungen an und kümmert sich auch um Finanzdienstleistungen wie etwa die Überprüfung von Kaufrechnungen der Spediteure. Wuunder ist in den Benelux-Ländern sowie in Deutschland aktiv und hat mehr als 50 Mitarbeiter.