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ZF Global Technology Day 2024: Technologieoffenheit ermöglicht Dekarbonisierung erst

Der Friedrichshafener Automotive-Zulieferer ZF stellt aktuelle Technologien zur Dekarbonisierung vor. Auch Nutzfahrzeuge stehen im Fokus der Entwicklung.

Auf dem Global Technology Day 2024 demonstrierte ZF sein Konzept der konsequenten Technologieoffenheit, flexiblen Produktionsstätten und spartenübergreifendem Technologietransfer, um kostengünstig Lösungen für eine saubere, sichere und komfortable Mobilität von morgen umzusetzen - egal ob im Pkw, Nutzfahrzeug oder in Industrieanwendungen. | Bild: ZF.
Auf dem Global Technology Day 2024 demonstrierte ZF sein Konzept der konsequenten Technologieoffenheit, flexiblen Produktionsstätten und spartenübergreifendem Technologietransfer, um kostengünstig Lösungen für eine saubere, sichere und komfortable Mobilität von morgen umzusetzen - egal ob im Pkw, Nutzfahrzeug oder in Industrieanwendungen. | Bild: ZF.
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Tobias Schweikl
(erschienen bei PROFI-Werkstatt von Claudia Leistritz)

Die Weichen in die Zukunft sind gestellt, stellte ZF-Vorstand Dr. Holger Klein in seinem Einführungsvortrag zum ZF Global Technology Day am 27. Juni 2024 klar. Im vergangenen Jahr hatte der Technologiekonzern angekündigt, das Unternehmen einerseits durch Partnerschaften, andererseits mehr eigenständige Entwicklungen neu auszurichten. Doch neben dem Ziel der Dekarbonisierung der Mobilität fordert der Nutzfahrzeugexperte ebenso konsequent Technologieoffenheit, nicht zuletzt um geben genau dieses Ziel überhaupt erreichen zu können. Zur Demonstration seiner aktuellsten Entwicklungen vor allem im Bereich Nutzfahrzeuge veranstaltete das Unternehmen mit Hauptsitz am Bodensee in der vergangenen Woche seinen Technology Day auf der Teststrecke in Jeversen nördlich von Hannover.

Eine der wichtigen Änderungen im Konzern, so führte Vorstand Dr. Holger Klein weiter aus, bestand in der strategischen Partnerschaft mit dem weltweit größten Hersteller elektronischer Komponenten Foxcomm. Ein Treiber der Entwicklungen im Bereich Nutzfahrzeuge war schon vor einiger Zeit auch die Übernahme des US-amerikanischen Spezialisten für Nfz-Komponenten Wabco gewesen. Ein weiterer Schwerpunkt der Neuausrichtung bildete der Ausbau der passiven Sicherheitstechnik. In diesem Bereich wolle man verstärkt wachsen und an Innovationen arbeiten.

Auf dem Vorführungsprogramm standen unter anderem Lösungen für autonome und automatisierte Nutzfahrzeug-Anwendungen, die Vorstellung eines Hybrid-Getriebes für Lkw, ein Spurwechsel-Assistenzsystem und eine KI-basierte Lösung zur Entwicklung individueller fortschrittlicher Assistenzsysteme. Und auch bei E-Bikes will der Konzern mitmischen.

Zu den Schwerpunkten der Unternehmensausrichtung sagte der Vorstandsvorsitzende, neben der Weiterentwicklung von Hard- und Software für neue Antriebe, auch automatisiertes und autonomes Fahren, biete man zum Beispiel mit ZF Mobility Solutions Know-how und Vernetzungslösungen für sichere Mobilität. Und für alle diese Unternehmungen suche man sich gegebenenfalls jeweils geeignete Partner.

ZF wolle einerseits seine Investitionen auf wachsende und gewinnbringende Märkte fokussieren, so Dr. Klein weiter zur gegenwärtigen Situation: „Davon profitieren sowohl wir als auch unsere Kunden“. Doch Wissen und Partnerschaften allein genügten bei weitem nicht, um in aktueller volatiler Marktlage bestehen zu können. Man brauche Flexibilität und Agilität, um auch auf wechselnde Kundenanforderungen reagieren zu können. Aktuelles Beispiel: gegenwärtig gerate der Markt für E-Mobilität nicht nur in Deutschland ins Stocken, die Elektrifizierung bei Pkw verlangsame sich, man diskutiere bereits wieder über das eigentlich beschlossene Verbrenner-Aus. Doch den  eingeschlagenen Weg wolle man fortsetzen:

„Wir spüren eine große Verunsicherung. Doch trotz dieser Diskussion ist und bleibt für uns eines klar: Es zählt jedes weitere Gramm CO2 das wir vermeiden können, um den Klimawandel aufzuhalten“.

Die Strategie von ZF besteht nun darin, die vorhandenen Technologien so zu kombinieren, dass den Kunden für jeden Schritt auf dem Weg zur Transformation die richtige Lösung geboten werden kann. „Das können wir, weil wir uns flexibel und breit aufgestellt haben. Wir nennen das bei uns den Full-Flex-Ansatz.“ Dieser verschaffe dem Unternehmen entscheidende Vorteile um unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen sowohl für den Pkw- als auch für den Nfz-Markt, wo die Voraussetzungen völlig unterschiedlich seien, wie der promovierte Wirtschaftsingenieur ausführte.

Technologieoffenheit im Nfz-Sektor

Im Nfz-Segment zum Beispiel sei der Weg durch verbindliche CO2-Ziele klarer vorgegeben. Ziele, die jedoch auf völlig unterschiedliche Technologiearten erreicht werden könnten. Daher sei Technologieoffenheit unabdingbar. Nicht nur Produktportfolio, sondern auch die Produktionsanlagen seien hierfür auf volle Flexibilität ausgerichtet. „Wir investieren in flexiblere Produktionsanlagen“, bestätigte Dr. Klein: so können im Werk in South Carolina/USA konventionelle, hybride oder rein elektrische Antriebstechnik unter einem Dach hergestellt werden:

„So bekommt jeder Kunde in Nordamerika höchst flexibel immer genau das, was die Endkunden wünschen: schnell, lokalisiert und unkompliziert.“

Auf dem TechDay drehte sich daher alles um innovative Technologien zur maßgeblichen Veränderung der Branche, wie es hieß. Das Friedrichshafener Unternehmen betätige sich hier in einer Vorreiterrolle: „ZF ist einer der wichtigsten Taktgeber für die Zukunft des Transport- und Mobilitätslebens“. So seien sozusagen in die ZF-DNA drei grundlegende Eigenschaften eingeschrieben, um Kunden zur beschleunigten Transformation zu verhelfen,: Flexibilität in Portfolio und Produktion um schnell reagieren zu können; zahlreiche Investitionen in Forschung und Entwicklung; und dann das Nutzen von Technologietransfers über eine enorme Bandbreite der Segmente hinweg.

 Nutzfahrzeuge und Industrietechnik

Ergebnis sind die vorgestellten Technologien, die aus der ZF-Innovationskraft resultieren. Diese soll verstärkt ausgebaut werden durch weitere Investitionen. Man nimmt hierzu Geld für Forschung, Entwicklung und moderne Anlagen in die Hand. So sind bis Ende 2026 weltweit bis zu 18 Milliarden Euro an Investitionen geplant – „bis zu ein Drittel davon in Deutschland, wenn die Wettbewerbsfähigkeit am Standort gegeben ist“. Man stärkt dort, wo man sich am meisten Wachstum und Prosperität verspricht „das betrifft vor allem die Division Nutzfahrzeuge“. Laut Dr. Klein läuft dieses Programm bereits im dritten Jahr sehr erfolgreich, wobei die strategische Weichenstellung hierfür durch die Übernahme von Wabco geschaffen worden war. Zusammen mit dem Bereich Industrietechnik bestünden hiermit sehr starke Geschäftsbereiche, die das Unternehmen voranbringen.

Einen Grund für die Stellung als maßgeblicher Innovationstreiber der Branche sieht Dr. Klein in den Kompetenzen, die von einem auf das andere Fahrzeugsegment übertragen werden. „Auf dieser Basis berücksichtigen wir natürlich immer die spezifischen Anforderungen“. Hierbei setzen die Entwicklungen zunächst an ganz unterschiedlichen Sparten an, zum Beispiel Pkw, Lkw, Busse, Landmaschinen oder Industrietechnik-Anwendungen, die später am Test-Track vorgestellt wurden. Dr. Klein erläutert den Nutzen der Übertragung von Entwicklungen auf alle anderen Bereiche:

„Von diesem Technologie-Transfer profitieren alle Segmente und natürlich auch unsere Kunden. Wir werden schneller und effizienter und unsere Kunden profitieren von einem Technologievorsprung, den kein anderer Zulieferer im Markt anbieten kann: Develop once-rollout everywhere.“

Ein Beispiel für einen erfolgreichen Technologietransfer bildet das im Pkw-Bereich eingesetzte Pkw-Fahrdynamik-Softwaresystem CubiX, das nun speziell auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt auch für Nfz angeboten wird. Pkw-Know-how wird mit Nfz-Expertise gebündelt und ergibt dadurch ein einzigartiges Produkt: eine umfassende Lösung dient somit zur Steuerung von Fahrwerk und Antrieb auf fahrzeugklassenübergreifenden Ebenen.

Wichtig vor allem im Bereich Lkw mit Anhängern sind auch Spurhalteassistenzsysteme. Viele Unfälle auf den Straßen sind auf Überholmanöver mit Aufliegern zurückzuführen. Um diese zu minimieren hat ZF auch hier eine im Bereich Pkw bewährte Lösung auf den Nutzfahrzeugbereich übertragen. Hierfür wird der Lkw rundum mit Kameras ausgestattet. 

Für weitere Innovationen in der Kombination von Soft- und Hardware wird auch mit Partnern wie Reifenprofi Goodyear gearbeitet. Gegenwärtig testet man zum Beispiel eine Möglichkeit, durch KI-basierte Datenerfassung per in den Reifen eingesetztem Sensor schon weit bevor es zu kritischen Situationen kann entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten, die dann automatisiert vom Fahrzeug vorgenommen werden. Hierbei gelte es, heißt es von den Goodyear-Profis, das System so einzustellen dass eine zu große Irritation des Fahrers durch den Eingriff von "außen" verhindert werde. "Sonst schaltet er die Funktion aus, und das wollen wir ja auch nicht".

Cloudbasierter KI-Datendienst ZF Annotate

Eine Entwicklung aus dem Bereich Künstliche Intelligenz stellt ZF Annotate dar. Auch hier greift der „ZF-typische“ Technologietransfer: Annotate wird zunächst für Pkw entwickelt und dann auf Nfz übertragen. Moderne, automatisierte FA-Systeme benötigen viele Sensoren. Diese liefern kontinuierlich Daten, aus denen das Fahrzeug ein dreidimensionales Abbild seiner Umgebung erstellt. Zugleich muss das Fahrzeug die verschiedenen Objekte in der Umgebung erkennen wie Verkehrszeichen, Radfahrer, Straßenbegrenzungen. Alle Informationen müssen „bedingungslos korrekt sein“, englisch auch als „Groundtruth“ bezeichnet. Die Validierung und Erzeugung dieser Groundtruth erforderte bisher immer monatelange mühevolle Arbeit. Dieser Prozess könne mit KI um das bis zu zehnfache beschleunigt werden, womit sich der Entwicklungsprozess von 12 auf bis 2 Monate verkürzen lässt: „Damit sparen unsere Kunden viel Zeit und auch Geld“.

Mit Annotate bietet ZF den Fahrzeugherstellern die Möglichkeit, jedes neue Fahrzeug mit einer Ausrüstung an Rechnern, Kameras und Sensoren KI-unterstützt allen denkbar möglichen Verkehrsszenarien auszusetzen und die aufgenommenen Daten für sicherere Fahrerassistenzsysteme zu verwenden. Es stellt eine "hochmoderne, KI-gestützte Validierungslösung zum Testen und Trainieren moderner ADAS/AD-Systeme von Level 2+ bis zum höchsten Automatisierungs-Level 5" dar. Das System lässt sich fahrzeugklassenübergreifend für Pkw wie Nutzfahrzeuge einsetzen. Den Angaben zufolge kommt dabei die Referenz-Sensorik je nach Kundenwunsch entweder auf dem Testfahrzeug selbst oder im sogenannten "Pursuit-Modus" zum Einsatz, also mit einem dahinterfahrenden, separaten Referenzdaten-Fahrzeug.

Vier Schlüsselfaktoren, so heißt es, versetzten ZF in die Lage, für saubere, sichere, komfortable Mobilität zu sorgen und inmitten des herausfordernden Wandels als Innovationsführer dazustehen: Als Zulieferer im Transportwesen mit breitestem Portfolio in der Nfz-Industrie hebt man mit neuen Systemlösungen die Standards für Sicherheit, Komfort und Nachhaltigkeit auf ein neues Niveau; mit Investitionen erweitert man seine Kompetenz und treibt den Wandel der Branche voran; in Sachen Dekarbonisierung bietet man mit Technologieoffenheit emissionsreduzierende Lösungen für „alle Stadien der Transformation“ an; und im Bereich Chassis Solutions biete man als Vollsortimenter intelligente ByWire-Lösungen auch für Industriefahrzeuge.

Prof. Dr. Peter Laier, Mitglied des Vorstands der ZF Group mit dem Ressort Produktion im Bereich Commercial Vehicle Solutions und Industrietechnik, stellte anschließend ebenfalls die Faktoren Flexibilität und technologische Synergien als Schlüssel für einen erfolgreichen Wandel heraus.

So sei zwar das Ziel der Dekarbonisierung ein wichtiger Hebel gegen den Klimawandel. Global gesehen jedoch würden entsprechende Maßnahmen ganz individuell gehandhabt, was zu großer Unsicherheit führe:  

„Wir sehen weltweit Unterschiede in der Umsetzungsgeschwindigkeit. Damit ist ein erhebliches Planungsrisiko verbunden.“

Während es in der EU nun klare Vorgeben gebe hinsichtlich des Einstiegspunkts für vollelektrische Fahrzeuge hänge in anderen Regionen wie zum Beispiel den USA sehr viel von den nächsten Wahlen ab. Dementsprechend werde sich dann das Vorhaben Dekarbonisierung entwickeln.

Vielfalt an Antrieben bei Nfz

„Klar ist natürlich, die Dekarbonisierung muss stattfinden und sie findet ja bereits statt mit vielen Technologien, die wir in den Markt bringen. Das belegen auch unsere Auftragszahlen und die Produktionsplanung für die nächsten Jahre“,

so Prof. Laier. Allerdings gestalten sich die technischen Rahmenbedingungen für Nutzfahrzeuge etwas anders, hier sei gegenüber den Pkw mit in der Regel Trend zum batterieelektrischen Antrieb mehr Anwendungsbreite gegeben: Er zählt neben batterieelektrischem Antrieb auch den Wasserstoffverbrenner sowie die Brennstoffzelle auf.

„Wir sehen also eine Vielfalt an Antriebstechnologien, denen wir uns stellen müssen, die je nach Anwendungsfall dann tatsächlich in den Markt kommen werden. Als ZF behalten wir all diese Entwicklungen im Auge.“

Dr. Laier sieht das Unternehmen hier gut aufgestellt mit seiner Technologie und seinem Know-how, egal in welche Richtung sich die Entwicklungen bewegten: Bei der Verbrennertechnologie punkte die Getriebetechnik – „die Intelligenz der ganzen Antriebstechnik“ – und auf dem Gebiet batterieelektrischer- oder Fuel-Cell-Antrieb biete der neue modulare Baukasten für die E-Mobilität die entsprechenden Lösungen.

Auf die Transformation reagiert man in Abstimmung auf die jeweiligen regionalen Bedingungen und stellt sich entsprechend flexibel auf in Hinsicht auf Produktion und Angebot – das ganz einfach ein Gebot der Zeit, so Prof. Laier weiter. Aber dennoch werde vom Ziel nicht abgerückt.

„Eines ist klar: die Dekarbonisierung muss vorangetrieben werden mit allen technischen Möglichkeiten, die wir haben. ZF bekennt sich zu diesem Ziel, und wir bieten entsprechende technische Lösungen an.“

Als Lösung für dieses Ziel, praktisch die Verbindung zwischen den beiden Welten herkömmliche Getriebetechnik und alternative Antriebe sieht Prof. Laier zum Beispiel das neue Hybridgetriebe für schwere Nutzfahrzeuge TraXon 2 Hybrid. Hier kombiniere man Technologien aus den beiden Baukästen Getriebetechnik sowie E-Mobilität – „das zeigt, wir reagieren global auf die veränderten Markt-und Rahmenbedingungen“. Hybridgetriebe bildeten in der Zukunft einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg der Kunden zur Dekarbonisierung, sowohl in Europa wie in Asien und Nordamerika. Beweis für den richtigen Weg: Aus Asien und Europa lägen bereits zwei wichtige Kundenaufträge für die Komponente vor. „So treten wir im Bereich Nutzfahrzeuge mit derselben Flexibilität auf, die Sie ja auch im Bereich Pkw in der Getriebetechnik schon länger kennen“, meint der Experte für Konstruktions- und Fertigungstechnik.

Gelebte Technologieoffenheit

ZF könne nun seine Kunden nicht nur mit hocheffizienten konventionellen Antrieben versorgen, sondern diese auch mit anderen Antriebstechnologien kombinieren sowie zugleich das komplette Antriebsportfolio erweitern durch seinen elektrischen Baukasten. Diese Angebotsbreite sei einmalig im Markt, so Prof. Laier:

„Damit können wir in unterschiedlichen Segmenten, sei es Lkw, Reisebussen, Stadtbussen bis 44 Tonnen Gesamtgewicht unterschiedliche technische Lösungen anbieten. Wir sind technologieoffen und können je nach Anwendungsfall die richtige Technologie liefern, sei es für Verbrenner, für batterieelektrische Fahrzeuge oder die Brennstoffzelle.“

Die Nutzung der gesamten ZF-eigenen Technologien versetze das Unternehmen in die Lage, nicht nur schnell in den Markt zu kommen sondern den Kunden auch wettbewerbsfähige Preise bei hoher Qualität anzubieten.

Auch innerhalb der Nutzfahrzeugwelt werden Synergien genutzt, zum Beispiel im Einsatz von Komponenten der E-Familie auch für den elektrifizierten Trailer. Den gesetzlichen Vorgaben der EU zur Effizienzsteigerung in Bezug auf Trailer komme man damit schon zuvor und können neue Zielgruppen erreichen, besonders da E-Trailer zum Beispiel nun erstmals als eigene Antriebsart vorgeschlagen wurden. Damit ließen sich zum Beispiel bis zu 16 Prozent, mit Plug-in-Variante sogar bis zu 40 Prozent Emissionen reduzieren, meint Prof. Laier.

Beweis für die richtige Entscheidung auf diesem Gebiet seien auch die im Bereich E-Mobilität für Nutzfahrzeuge bedeutenden Auftragseingänge. Zugleich jedoch arbeite man weiter an der Produktion der konventionellen Antriebe, so könnten unterschiedliche Antriebsstränge bedient werden. Das schon jetzt vorhandene Elektrifizierungs-Know-how versetze ZF zudem in die Lage, auch andere Segmente jenseits der Antriebstechnik zu erreichen. Laier spricht Eworx an: ein elektrisches Nebenabtriebssystem für unterschiedliche Aufbauten wie zum Beispiel hydraulische Kipper oder Muldenkipper.

„Damit sind wir bei unseren Kunden sowohl in Nordamerika wie in Europa global vertreten und passen uns mit technischen Lösungen an die Bedarfe der E-Mobilität an. In diesem Umfeld sieht unsere Planung eine jährliche Verdoppelung des Umsatzes in den nächsten Jahren vor.“

Doch auch hierfür seien finanzielle Aufwendungen zu tätigen: nicht nur in den Antriebsstrang bei Fahrdynamik und Sicherheit, sondern auch in neue Technologien. Und um auf die wechselnden Kundenwünsche sowie die unterschiedlichen Anforderungen der Antriebskonzepte reagieren zu können, habe man zum Beispiel in Friedrichshafen und in Nordamerika stark in die Werke investiert, zum Beispiel durch Einrichtung von Flexanlagen und Flexproduktionslinien.

Als weiteren Trend stellte Prof. Laier die Digitalisierung im Nfz- und Off-Highway-Sektor heraus. „Das gilt auch für den Bereich Chassis-Solutions“. Hier gehe zum Beispiel auch bei Landmaschinen durch intelligente Komponenten und Softwarefunktionen der Weg in Richtung automatisiertes Fahren. Der im Bereich Konstruktions- und Fertigungstechnik promovierte Maschinenbauingenieur mit Honorarprofessur an der TU München meint: „Das kommt sogar in diesem Umfeld schneller als in anderen Bereichen“. Hierzu steuert ZF die ByWire-Technologien aus dem Segment Pkw bei.

Marktstudien prognostizieren diesem Feld ein überproportionales Wachstum, ein Gebiet, auf dem sich ZF bereits marktführend betätige und nun in Adaption an die Rahmenbedingungen auf Nfz- und Industrietechnik übertrage. So wurde bereits 2017 ein ByWire-System im Off-Highway-Bereich auf den Markt gebracht für Traktoren, das zur Ansteuerung der Bremse im Anhänger dient. „Wir sind bisher der einzige im Markt, der solche Technologien tatsächlich umgesetzt und in Serie gebracht hat.“ Als nächstes soll dieses System zur Anhängersteuerung von Traktoren auch im Zugfahrzeug umgesetzt werden. Wesentlicher Faktor ist hier die ABS-Technologie, die auch auf der Teststrecke in Jeversen demonstriert wurde und zeigte, wie ein Traktor ohne ABS bei hoher Geschwindigkeit auf nasser Straße und Bremsung Spur und Gleichgewicht verlor, derjenige mit ABS jedoch kontrollierbar blieb.

Für das ABS-System werden Komponenten aus dem Nfz-Bereich verwendet. Das Ergebnis stelle für die Landmaschinentechnik einen deutlichen Sicherheitsgewinn dar. Künftige FA-Systeme werden nach dem Sicherheitslevel gemessen, führte der Experte aus. Hier gehe ZF bereits über die Anforderungen hinaus und biete noch höhere Sicherheit, wie zum Beispiel beim Lkw-Spurwechsel.

Hohe Bedeutung Sicherheit: Spurwechselkontrolle bei Trailern

Hier werden zwei neue Ansätze verfolgt, die die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer steigern sollen. Mit fortschrittlichen Sensoren und Kameras wird zunächst die Aufmerksamkeit des Fahrers überwacht. Aber ZF überwacht aus der Zugmaschine heraus auch das gesamte Gespann über die gesamte Länge, ein System, das sich an alle Trailer anpassen lässt und als bedeutender Sicherheitsfaktor gelten kann denn etwa 12 Prozent der Unfälle, so betont Prof. Laier, entstehen aus solchen Spurwechseln.

Ein weiteres System soll die Fahrstabilität bei unterschiedlichen Belägen erhalten: hierfür wird aus optischen und akustischen Sensoren am Fahrzeug sowie online verfügbaren (z.B. Wetter-) Daten die Fahrbahnbeschaffenheit errechnet. Die Messung des Reibwerts führt dann zur entsprechenden Anpassung des Fahrzeugabstands, um die Fahrzeugsicherheit zu erhalten. Auch hier nutzt man Synergien: So kommen die genutzten Radar- und Fernradar-systeme zur Umfelderkennung aus dem Pkw-Bereich. Dieses Aktionsfeld wird laut Prof. Laier deutlich zunehmen: „wir wachsen im Bereich Fahrerassistenz/ADAS dynamisch bis 2030 um mehr als 30 Prozent“, sagt er voraus. Fazit: „Unsere Kunden kennen und schätzen, dass wir der One-Stop-Shop der Nutzfahrzeugindustrie sind.“

Klimaziele nur mit privaten Investoren erreichbar

In der anschließenden Fragerunde ging es auch darum, ob sich bis 2030 tatsächlich 45 Prozent geringere CO2-Emissionen bei neuen Lkw und Bussen in Europa gegenüber dem Jahr 1990 erreichen ließen, so wie es die EU-Kommission im Rahmen ihrer Klimaziele fordert?

Prof. Laier bestätigte, dass die EU-Vorgaben „bei weitem“ nicht ausreichten, um zunächst einmal die hierfür erforderlichen Mengen an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben auf die Straße zu bringen. Zudem aber seien vor allem für die erforderliche Infrastruktur unabdingbar private Investitionen nötig – „und die werden nur mit den entsprechenden Anreizen stattfinden“. Daher plädiere man immer – neben der Technologieoffenheit –  für klare Rahmenbedingungen damit Investoren auch zu entsprechenden Aktionen zur Errichtung der passenden Infrastruktur motiviert würden.

Als zweites brisantes Thema wurde das Thema Künstliche Intelligenz aufgegriffen. Ohne Zweifel werde diese Technologie uns als ganze Gesellschaft stark transformieren, wie Dr. Klein meinte. Bedrohlich sei diese Entwicklung jedoch nicht. Im Wesentlichen, so Klein, mache der Einsatz von KI die Tätigkeit der Ingenieure eher attraktiver, da sie die „weniger intelligenten“ Tätigkeiten ausführe. Auch übernehme die Technologie viele Services und treibe in dieser Funktion auch den Aftermarket voran. Weiterer Vorteil: „Data is the gold of the future“. Auch die ZF-Flottenmanagement-Plattform Scala arbeitet zum Beispiel mit Künstlicher Intelligenz – durch ihren Einsatz ließen sich die Prozesse enorm beschleunigen und dadurch Kosten senken.

Weitere Erklärungen zum Sachverhalt gab abschließend auch Prof. Laier. So wurde angesichts der vielen parallel laufenden ZF-Technologien die Frage gestellt, wie lange es sich ein Unternehmen leisten könne, gleichzeitig auf so vielen Hochzeiten zu tanzen – schließlich würden damit ja auch Kräfte gebunden. Sei es nicht einfacher, sich nur auf ein oder zwei Antriebstechnologien zu konzentrieren? Auf diese Frage führte Prof. Laier aus, dass es aufgrund der vielen verschiedenen Anwendungsbereiche in der Nutzfahrzeugindustrie – Kommunalbereich mit Müllfahrzeugen, Transportbereich, Busse, Long-Haul-Fahrzeuge – keine „one-fits-all“-Lösung geben könne. Auch habe die Elektromobilität in diesem Sektor ihre Grenzen, da die aktuellen Batterietechnologien nicht genug Leistung zur Verfügung stellen könnten. Man müsse sich hier entweder für mehr Batterien für mehr Reichweite, aber dann weniger Zuladungsmöglichkeit entscheiden, oder für mehr Ladung bei geringerer Reichweite, und das noch zusätzlich zur Problematik der erforderlichen Ladeinfrastruktur.  

Daher beschränke man sich bei batterieelektrischen Lkw in der Reichweite auf etwa 300 bis 500 Kilometer. „Für alles was darüber geht, braucht man eine Lösung“, so Prof. Laier. Und diese Lösung seien Brennstoffzelle oder Wasserstoffverbrenner, und beide brauchten Wasserstoff als Energietransportmedium. Die Hersteller nun, so Prof. Laier, müssten für diese Energieträger auch die entsprechenden Antriebstechnologien entwickeln, wobei ZF jedenfalls unterstütze – „Das wird sich im Moment nicht vermeiden lassen, wenn wir Dekarbonisierung ernst nehmen“. Doch angesichts der großen Herausforderung, die erforderlichen Rahmenbedingungen sicherzustellen, müssten Politik und Industrie zusammenarbeiten, denn: „dazu braucht es Planungssicherheit und Technologieoffenheit und das ist unser Plädoyer“, schloss der Maschinenbau-Experte kurz und bündig.

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